Eine Genehmigung aus dem Rathaus gab es dafür nicht: Die Macher der umstrittenen Anatomie-Schau „Körperwelten“ haben am Freitag für etwa anderthalb Stunden das Plastinat eines Mannes mit Gitarre auf dem Schlossplatz ausgestellt – und zu Werbezwecken die Zahlung eines Bußgeldes bewusst eingeplant.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Von einer „Guerilla-Aktion“ spricht Simon Klass von der Agentur Eventstifter – genehmigt war sie nicht bei der Stadt Stuttgart. Für etwa anderthalb Stunden hat er am Freitag im Auftrag der Veranstalter der Ausstellung „Körperwelten“ das Plastinat eines toten Gitarristen auf dem Schlossplatz ausgestellt. Die Reaktionen seien „nur positiv“ gewesen, teilte er mit. Schulklassen und Passanten machten eifrig Selfies mit der Leiche. Auch zwei Polizeibeamten hätten vorbeigeschaut, aber nichts unternommen.

 

„Nicht eine Beschwerde“ hat es laut Simon Klass gegeben. Doch die wird wohl noch kommen. Mit einem Bußgeld wegen einer Ordnungswidrigkeit rechnen die Ausstellungsmacher selbst. Dies hält auch Hermann Karpf, der Referent des Stuttgarter Ordnungsbürgermeisters, für sehr wahrscheinlich. Es könne ein Bußgeld in dreistelliger Höhe geben. Aber erst werde die Stadt in Abstimmung mit dem Land prüfen, dem der Rasen des Schlossplatzes gehört, ob eine Anzeige erstattet wird.

Klass hatte die Aktion zuerst ordnungsgemäß im Stuttgarter Rathaus anmelden wollen. „Dort sagte man mir, dass auf dem Schlossplatz prinzipiell keine Promotion-Maßnahmen genehmigt werden“, erklärte der „Eventstifter“ aus Besigheim. Dies soll angeblich nichts mit dem Plastinat zutun haben. „Für den Wilhelmsplatz hätten wir eine Genehmigung bekommen“, so Klass.

Die Schau bleibt bis zum 20. Mai in Stuttgart

Die Ausstellung „Körperwelten“, die vom 30. November bis zum 20. Mai in Nebenräumen der Schleyerhalle zu sehen ist, lebt von der Provokation. Stets geht es um die Fragen: Ist dies nun eine lehrreiche Anatomieausstellung für medizinische Laien? Kunst sogar? Oder soll nur voyeuristisch die Sensationslust der Masse befriedigt werden?

Zuletzt war die Schau im Jahr 2003 in Stuttgart. Damals mussten die Besucher vor der Schleyerhalle bis zu sieben Stunden warten. Beim zweiten Gastspiel der umstrittene Anatomie-Ausstellung in Stuttgart wird nun auch der Reiter auf dem Pferd gezeigt, der damals auf Anordnung der Stadt verhüllt werden musste.

Die Geschäfte hat Sohn Rurik von Hagens übernommen

Wegen seiner fortschreitenden Parkinson-Erkrankung hat Gunther von Hagens die kaufmännische Leitung seines 1993 gegründeten Instituts für Plastination 2011 seinem Sohn Rurik von Hagens überlassen. Zuletzt befand er sich in Berlin im Rechtsstreit mit dem Bezirk Mitte, der das „Menschenmuseum“ der „Körperwelten“-Macher am Fernsehturm schließen wollte. Begründung: Die Präparate seien nicht identifizierbar. Damit sei es dem Bezirk unmöglich, zu verifizieren, ob der Körperspender zu Lebzeiten eingewilligt habe. Genau diese Probleme wollen die Ausstellungsmacher inzwischen beseitigt haben und führen den Museumsbetrieb „unter der im Grundgesetz schrankenlos gewährten Freiheit von Forschung und Lehre“ fort.

Ist der in Stuttgart gezeigte Gitarrist vor seinem Ableben gefragt worden, ob er mit einer Zurschaustellung auf dem Schlossplatz einverstanden ist? Das Institut für Plastination, so Simon Klass, habe genau erklärt, was man auf dem öffentlichen Platz zeigen dürfe. Dazu hätte der Gitarrist gehört.