Bosch will einen Querdenker am Standort Feuerbach loswerden. Unter anderem soll er eine Personalleiterin bedroht haben. Der freigestellte Betriebsrat bestreitet die Vorwürfe. Dennoch hat ihn das Arbeitnehmergremium fallen lassen.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Der Saal des Stuttgarter Arbeitsgerichts platzt aus allen Nähten. Groß ist das Interesse von deutlich mehr als 50 Bosch-Beschäftigten vom Standort Feuerbach an der Güteverhandlung über die fristlose Kündigung eines freigestellten Betriebsrats – ein auch bei Bosch überaus seltener, wenn nicht einzigartiger Vorgang.

 

Dem gelernten Maschinenbau-Ingenieur werde eine „schwerwiegende Pflichtverletzung“ zur Last gelegt, die sich nicht mit den Prinzipien und Werten des Unternehmens vertrage, wie ein Bosch-Sprecher unserer Zeitung sagt. Tatsächlich geht es um eine Eskalation mehrerer Vorgänge: So hat er sich am 1. Februar im gemeinsamen und klar abgetrennten Vorraum der Damen- und Herrenumkleideräume aufgehalten, wodurch sich Mitarbeiterinnen belästigt gefühlt haben sollen. Nach seiner Darstellung hat er lediglich Kolleginnen der Essensausgabe begleitet, die am Warnstreik der IG Metall teilnehmen wollten. In dem Vorraum stellte ihn der Leiter der Werkverpflegung zur Rede, von dem er sich nicht vertreiben ließ.

Betriebsrat stimmt fristloser Kündigung zu

Daraufhin wurde die Personalleiterin des Standorts eingeschaltet. Mit der kam es am 8. Februar zu einem Disput, in dessen Verlauf der 49-Jährige die Frau vor Zeugen unter anderem mit den Worten bedroht haben soll: „Ich mache Sie fertig, Sie werden schon noch sehen.“ Vier Tage später erhielt der vierfache Familienvater, der seit gut 20 Jahren bei Bosch beschäftigt ist, seine Kündigung. Zugleich wurde der Werkausweis eingezogen, die Möglichkeit zur internen Kommunikation beschnitten. Richter Ulrich Lips sieht allein in der Drohung einen Grund, der eine fristlose Kündigung rechtfertigt – wenn sie sich denn beweisen lässt. Doch der Anwalt des Gefeuerten, Rolf Schaefer, bestreitet das, wie er ohnehin bei all den Vorwürfen stichhaltige Belege vermisst. „Wo ist da der Sachverhalt?“, fragt er mehrfach. Am Rande der Verhandlung argwöhnt Schaefer, dass das Unternehmen den 49-Jährigen provozieren will, Bosch nun öffentlich schlechtzureden, um dann erneut eine Kündigung durchzubringen.

Besonders interessant ist, dass der Betriebsrat von Bosch Feuerbach der fristlosen Kündigung zugestimmt hat – ein absolut ungewöhnlicher Vorgang. Nun ist der Mann IG-Metall-Mitglied und hat im Prinzip Anrecht auf Rechtsschutz. Möglicherweise um dem Feuerbacher Arbeitnehmergremium nicht demonstrativ in den Rücken zu fallen, versagte ihm die Gewerkschaft den Rechtsschutz mit einem eigenen Anwalt. Stattdessen bezahlt die Gewerkschaft das Honorar des Hannoveraner Juristen Rolf Schaefer.

Ärger um Standortvereinbarung

Es lässt sich mutmaßen, warum dem Gekündigten der sonst übliche Rückhalt versagt wird: Der Mann ist ein Querdenker und hat zum Beispiel im Bosch-Intranet eine Community gegründet, die kritisch und frei auch über Vorgänge wie den Dieselskandal nachdenkt, der Bosch schwer erschüttert hat. Vor allem aber führt er seit Langem eine Auseinandersetzung mit der Betriebsratsleitung über eine Standortvereinbarung zur Arbeitszeit in der Werkverpflegung. Diese verstößt aus Sicht des Gekündigten und seines Betriebsratsausschusses in Teilen gegen das Betriebsverfassungsgesetz und gegen den Metalltarifvertrag. Denkbar, dass Betriebsratschef Frank Sell dadurch seine Arbeit behindert sieht. Immerhin betont auch der Bosch-Sprecher das „gute Verhältnis zum Betriebsrat“, mit dem derzeit Konzepte für die neue Arbeitswelt entwickelt werden. Hinzu kommt: Die Aufregung über die Kündigung fiel mitten in den Wahlkampf für die Betriebsratswahlen vom 6. bis 8. März. Dem Gefeuerten hat das Theater jedenfalls nicht geschadet: Er wurde trotz fristloser Kündigung unter 84 Kandidaten auf Platz 28 von 39 gewählt.

Wegen der konträren Haltungen sieht Richter Lips keine Chance auf eine gütliche Einigung und kündigt eine Beweisaufnahme an. Der Kammertermin und eine Entscheidung dürften kaum vor Juli folgen.