Im Allgäu hat sich ein gefährlicher Trend etabliert: Das Gumpenjucken. Dabei springen Menschen von Felsen in kleine Wasserbecken. Die Sprünge sind recht gefährlich, doch das scheint sie nicht abzuschrecken.

Volontäre: Chiara Sterk (chi)

Oberstaufen - „Ich bin letzten Sommer zum ersten Mal gesprungen“, erinnert sich Lina. Und das überzeugte die 21-Jährige, nicht nur von den Bergen, sondern auch vom Sport: „Ich habe keinen cooleren Sport seither gefunden“, erzählt sie. Lina spricht vom Gumpenjucken. Das ist ein Trend aus dem Allgäu. „Der Name Gumpenjucken setzt sich aus den Wörtern Gumpen, was im Dialekt für ein Becken im fließenden Gewässer steht, und dem Wort Jucken zusammen, das im Dialekt für Springen oder Hüpfen steht“, erklärt eine Sprecherin vom Tourismusbüro in Oberstaufen. Die Buchenegger Wasserfälle in Oberstaufen gelten als „Mekka“ des Gumpenjuckens.

 

Das Tourismus-Büro in Oberstaufen distanziert sich allerdings von der Juckerei und rät davon ab: „Gumpenjucken ist aus unserer Sicht ein absolut gefährlicher Trend, wir bewerben das unverantwortliche Springen von den Wasserfällen in keiner Form“, so die Sprecherin. Vor allem die besondere Lage der Oberstaufener Wasserfälle sei tückisch, mahnte sie: „Zum hohen Verletzungsrisiko kommt die Tatsache, dass es an den Buchenegger Wasserfällen kein Handynetz gibt und Rettungsmaßnahmen nur eingeschränkt möglich sind.” Und auch Bernd Kinner, Chefarzt für Unfallchirurgie vom Stuttgarter Robert-Bosch-Klinikum, warnt: „Neben der Gefahr des Ertrinkens im kalten Gebirgswasser kann es zu weiteren schweren Verletzungen wie Wirbelbrüche, Rippenbrüchen sowie Verletzungen an Armen und Beinen kommen.“

Wasserwirbel, Strömungen, Staudämme und versteckte Felsen können zur Gefahr werden

Doch trotz der Gefahren geistern zahlreiche Bilder durchs Netz, auf denen vor allem Jugendliche und junge Erwachsene zu sehen sind, wie sie „jucken“. Die Kölnerin Lina Holzweiler empfiehlt das Jucken, weiß aber auch: „Man darf nie vergessen, vorsichtig zu sein, denn die Gefahr abzustürzen ist da“, mahnt sie und fügt hinzu: „Und es empfiehlt sich, leichte Laufschuhe oder Wasserschuhe zu tragen, weil die Steine teils scharfkantig sind und auch oft glitschig sind.“

Wie das Springen aussieht, sehen Sie im Video.

Paul Goj ist zum ersten Mal mit 16 Jahren gesprungen. Man müsse Acht geben auf Wasserwirbel, Strömungen und Staudämmen, erklärt er: „Ich erkunde eine Stelle zum Springen immer erst einmal mit meiner Taucherbrille, um sicherzugehen, dass ich mich nicht verletze.“ Anfänglich hatte der Würzburger großen Respekt vor dem Gumpenjucken: „Heute brauche ich das Adrenalin“, sagt er und lacht. Der 33-Jährige hat seine Performance seither geschult: „Bis 25 Meter Höhe dürfen es schon Tricks wie Saltos oder Backflips sein, aber von höher spring ich dann auch nur noch normal.“

Beim Gumpenjucken kommen alle Sportarten zusammen

Vinzenz Schweizer springt schon von Kindesbeinen an in die Gumpen. „Früher sind wir immer von Kränen in den Baggersee bei uns gesprungen“, erinnert er sich an seine Anfänge im Springen. „Beim Trampolinspringen mit einem Freund hab ich dann später wieder dran gedacht, und wir haben gesagt, wir müssen das mal wieder machen“, erzählt Vinzenz. „Beim Gumpenjucken kommen alle Sportarten zusammen, Turnen, Parcours, Tricking, Trampolin, Kraftsportler und Ski- und Snowboardfahrer“, fasst er zusammen. Am liebsten springt der Bayer gleich ganz früh am Morgen: „Vor dem ersten Kaffee, so als Wachmacher, das ist klasse – und wach wird man davon garantiert.“

Philipp Fordermaier kam über seinen besten Freund zum Jucken. „Ich wollte eigentlich meine Höhenangst loswerden“, erzählte der 22-Jährige. Und das klappte – seither ist es zum Hobby geworden. „Der Adrenalin-Kick, wenn man von oben runter schaut, der Flug und dann ins Wasser einzutauchen, das hat schon was“, versuchte er das Gefühl beim Springen zu erklären. „Es ist einfach ein geiles Gefühl.“