Das Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau hat die Ergebnisse seiner Untersuchungen präsentiert. Den Wissenschaftlern zufolge sind eindeutig die Erdwärmebohrungen dafür verantwortlich, dass sich der Boden in Böblingen hebt.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Für Roland Bernhard ist es eine klare Bestätigung. „Es waren fahrlässige Erdwärmebohrungen, die dazu führten, dass sich die Erde hebt“, kommentierte der Landrat Untersuchungsergebnisse von Wissenschaftlern des Landesamts für Geologie, Rohstoffe und Bergbau. Mehr als ein Jahr lang hatten sie über eine Erkundungsbohrung die Beschaffenheit des Gesteins in dem nördlichen, von Erdhebungen betroffenen Gebiet in Böblingen untersucht. Unter anderem werteten sie auch Satellitendaten aus, die zeigen, dass die Erdhebungen kurz nach den ersten 130 Meter tiefen Bohrungen für Erdwärmesonden durch die Leonberger Firma Gungl im Herbst 2008 begannen. Damit sei „ein Meilenstein erreicht“, befand auch Ralph Watzel, der Leiter des Landesamtes, am Dienstagabend im Kaufmännischen Berufsschulzentrum, wo die Ergebnisse den Betroffenen präsentiert wurden.

 

Um fast einen halben Meter hat sich die Erde gehoben

Bis zu 45 Zentimeter hat sich der Boden seit diesen ersten Bohrungen für Geothermieheizungen in der Stadt gehoben. Rund 100 Häuser sind dadurch teils schwer beschädigt worden. Sie zu reparieren wird Millionen kosten. Die Sanierung der 17 undichten Bohrlöcher geht ebenfalls in die Millionen. Bislang haben die drei Versicherungen des in die Insolvenz gegangenen Bohrunternehmens die Zuständigkeit dafür noch nicht anerkannt. Auch der Insolvenzverwalter hat die Ansprüche der betroffenen Hausbesitzer abgewiesen. Roland Bernhard kündigte an, die Versicherungen aufzufordern, den „Schwarzen Peter nicht mehr hin- und herzuschieben“. Und Böblingens Oberbürgermeister erklärte, dass der Insolvenzverwalter nun keinen Rechtsgrund mehr habe, die Ansprüche der Hausbesitzer zu bestreiten. „Heute ist vielen ein großer Stein vom Herzen gefallen“, sagte Wolfgang Lützner am Dienstagabend.

Die 145 Meter tiefe Erkundungsbohrung ergab für das nördliche Erdhebungsgebiet, dass der Gipskeuper nach rund zehn Metern beginnt und bis in eine Tiefe von 115 Metern reicht. Im unteren Teil der Schicht befindet sich eine Anhydritzone. Als „quellfähigen Gebirgsabschnitt“ bezeichnete Clemens Ruch vom Landesamt das Gestein. „Diesen Gebirgsabschnitt haben wir gesucht“, erklärte er den rund 100 Zuhörern. Drei Grundwasserstockwerke wurden ebenfalls angebohrt, in denen teilweise ein sehr hoher Druck herrscht.

Wasser ist durc hdie undichten Sonden ins Gestein gelangt

Das Wasser sei durch die undichten Erdwärmesonden in die Anhydritzone abgestiegen, erklärte sein Kollegen Rupert Prestel. Anhand von Temperaturmessungen sind die Wissenschaftler zu diesem Ergebnis gekommen. Das Wasser hat dann zu den „verhängnisvollen Erdhebungen geführt“. Denn bei Anhydrit handelt es sich um Gips, dem Wasser entzogen wurde. Wird das Material nass, quillt es auf und wird wieder zu Gips. Die Größe des Gesteins nimmt dabei um 60 Prozent zu, weshalb sich die Erde hebt. Von alleine hätte das Grundwasser nicht in diese Schichten gelangen können, erklärten die Wissenschaftler.

Dass die Erdwärmesonden undicht waren, daran hat ihre Sanierung kein Zweifel gelassen. Rund 35 000 Liter eines Spezialzementes sind bisher in 13 Bohrlöcher gepresst worden. Die Messungen der Satelliten ergaben, dass sich vor den ersten Sondenbohrungen im Herbst 2008 in der Siemensstraße die Werte auf einer Linie bewegten, danach stiegen sie plötzlich an. Das gleiche Bild zeigt sich auch in anderen betroffenen Gegenden wie der Altinger Straße oder der Robert-Bosch-Straße. „Es gibt einen klaren Zusammenhang der Erdhebungen mit der Ausführung der Erdwärmesonden“, erklärte Rupert Prestel.

Keine Prognose für die Sanierung der Häuser

Dass die Erdhebungen seit der Sanierung der Bohrlöcher zurückgegangen sind, gilt als weiterer Beweis. Im Norden hat sich ihr Tempo seit rund einem Jahr verringert, im Süden seit dem vergangenen Mai. Wann es zum Stillstand kommt, konnten die Mitarbeiter des in Freiburg ansässigen Landesamtes nicht sagen. „Das Wasser, das im ,Gebirge‘ ist, wird ausreagieren“, erklärte Clemens Ruch, „das kann langatmig sein.“ Eine Prognose, wann mit den Sanierungen der beschädigten Häuser begonnen werden kann, wollte er deshalb auch nicht abgeben.

Vertreter der Versicherungen waren bei der Veranstaltung nicht zugegen. Die Firma Gungl war nacheinander bei der Württembergischen, der AIG und der Allianz Kunde. Da der Allianz das Gutachten nicht vorab vorgelegt worden sei, könne er noch keine Stellung nehmen, erklärte der Allianz-Sprecher Christian Weishuber. Die Versicherer wollen in einem Schiedsverfahren klären, wer von ihnen haften muss.