Gutachter wird zum zweiten Mal freigesprochen - Richter macht Stadtverwaltung verantwortlich

Traunstein - Fast sechs Jahre nach dem verheerenden Einsturz der Eislaufhalle von Bad Reichenhall ist der Angeklagte am Donnerstag erneut freigesprochen worden. Nach Überzeugung des Landgerichts Traunstein ist der Bauingenieur nicht für den Tod von 15 Menschen mitverantwortlich. Die Strafkammer habe nach Abwägung aller Argumente „in dubio pro reo“ (im Zweifel für den Angeklagten) entscheiden müssen, sagte der Vorsitzende Richter Jürgen Zenkel in der Urteilsbegründung.

 

Am 2. Januar 2006 waren bei dem Einsturz der Halle überwiegend junge Menschen ums Leben gekommen. Der 58-jährige Gutachter musste sich seit September in einem Revisionsprozess erneut wegen fahrlässiger Tötung verantworten.

Gutachter bescheinigte der Eishalle einen guten Zustand

Im Auftrag der Stadt hatte er dem Gebäude keine drei Jahre vor dem Unglück einen guten Zustand bescheinigt. Seinen Freispruch im ersten Prozess hatte der Bundesgerichtshof (BGH) 2010 kassiert. Die Staatsanwaltschaft ließ nach dem neuen Urteil offen, ob sie es abermals vom BGH überprüfen lassen will. Die Urteilsbegründung kam indes einer schallenden Ohrfeige für die Anklagebehörde gleich. Verteidigung und selbst Nebenkläger hatten ihr im Prozess mehrfach vorgeworfen, nach dem ersten Urteil neue Ermittlungen gegen die Stadtspitze unterlassen zu haben. Wegen Verjährung können nun keine Beamten mehr angeklagt werden.

Gericht erhebt schwere Vorwürfe gegen Stadtverwaltung

Richter Zenkel hielt der Stadtverwaltung „Schlamperei, Ignoranz, Verantwortungslosigkeit und Skrupellosigkeit“ vor. Er erinnerte an die fehlerhafte Statik und an Risse in den Dachbalken, die durch die Verwendung von falschem Leim entstanden waren. „Es wurde eine Vielzahl von Alarmzeichen missachtet.“ Der neue Prozess habe ergeben, dass der Angeklagte von der Stadt keinen Auftrag hatte, auch die Standfestigkeit des Hallendaches zu prüfen. Es sei vielmehr um eine grobe Kostenschätzung für etwaige Sanierungen gegangen. Auch sei es kein „Gefälligkeitsgutachten“ für die Stadt gewesen, wie der BGH moniert hatte.

Staatsanwaltschaft denkt über Revision nach

Zenkel wandte sich am Ende seiner Urteilsbegründung an die Hinterbliebenen, die als Nebenkläger auftraten. Ihr Wunsch, der Prozess möge die Schuldfrage endgültig klären und Strafverfahren gegen städtische Mitarbeiter ermöglichen, habe nicht erfüllt werden können. Auch die Anklagebehörde habe Fehlverhalten im Rathaus festgestellt, sagte Chefankläger Günther Hammerdinger. Das sei aber nicht Schuld am Einsturz der Halle gewesen. Die Staatsanwaltschaft will nun die schriftlichen Urteilsgründe abwarten, ehe sie über eine Revision entscheidet. „Wir werden in Ruhe überlegen.“