Wie konnte es zu dem schweren Rodelbahn-Unglück im Sauerland kommen, bei dem ein Zwölfjähriger einen Teil seines Beins verlor? Dies soll nun rasch geklärt werden. Vorerst ist die Anlage geschlossen.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Stuttgart - Nach dem schweren Unfall im sauerländischen Freizeitpark „Furt Fun Abenteuerland“ soll ein von der Staatsanwaltschaft beauftragter Gutachter überprüfen, ob die Sommer-Rodelbahn betriebssicher war. Zunächst bleibt die Anlage nach Angaben des Betreibers mindestens bis zum Wochenende gesperrt. „Wir werden diese Woche nutzen, um den genauen Hergang des Unfalls zu analysieren“, sagte Geschäftsführer Andreas Sievering.

 

Auf der Rodelbahn „Trapper Slider“ in Bestwig war einem Zwölfjährigen am Samstagnachmittag während der Fahrt ein Teil seines Beines abgetrennt worden. Der Fuß des Jungen war dem Betreiber zufolge zwischen Schlitten und Schienen geraten. Der Zwölfjährige war nach Angaben der Staatsanwaltschaft am Montag außer Lebensgefahr. Der Gutachter solle sich die Bahn und den sichergestellten Schlitten anschauen, erklärte Staatsanwalt Klaus Neulken in Arnsberg.

TÜV prüft jedes Jahr

Laut TÜV Rheinland werden Sommerrodelbahnen jährlich „auf Herz und Nieren“ kontrolliert. Wie TÜV-Sprecherin Nicole Krzemien erklärte, werden Auffahrt, Abfahrt, Steuerung und Bremseinrichtungen der Bahnen getestet. Stichprobenartig untersuchen die Kontrolleure demnach Fahrzeuge. „Auch eine Probefahrt gehört zur Überprüfung.“ Wichtig sei, dass sich die Fahrgäste an die Sicherheitsnormen hielten.

Deutschland ist mit mehr als 130 Anlagen (davon elf in Baden-Württemberg) Europas Sommerrodel-Paradies. Unterschieden wird zwischen Wannen- und Schienen-Bahnen. Beim ersten Konstruktionstyp rutscht oder rollt der Schlitten mit 40 Kilometern pro Stunde in einer Rinne aus Faserzement, Kunststoff oder Edelmetall ohne weitere Spurführung talwärts. Steilkurven sollen verhindern, dass der Bob aus Bahn getragen wird. Schienen-Bahnen hingegen funktionieren ähnlich wie Achterbahnen. Die Schlitten laufen über eine oder mehrere Stahlschienen. Die Mitfahrer sind angeschnallt, so dass sie nicht herausfallen können.

Mit 40 km/h ins Tal sausen

Nach Angaben des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KfV) in Wien werden auf den 40 österreichischen Sommerrodelbahnen jährlich circa 400 Menschen verletzt – bei rund 2,8 Millionen Fahrgästen. Die häufigsten Verletzungen bei Geschwindigkeiten von bis zu 45 Kilometern pro Stunde sind demnach Prellungen, Knochenbrüche und Abschürfungen. Ein Viertel aller Unfälle passiere durch zu schnelles Fahren, ein weiteres Viertel durch Zusammenstöße auf der Rodelbahn, weil der Abstand nicht eingehalten werde, erklärt KfV-Sicherheitsexperte Anton Dunzendorfer. „Durch den Aufprall kann es sogar zu Kopf- und Wirbelsäulenverletzungen kommen.“

„Tolles Vergnügen für die ganze Familie“

„Nervenkitzel – Herzschlag rasend“ wirbt der Betreiber der „Fort-Fun“-Rodelbahn auf der Homepage. „Europas längste Rodelbahn in einem Freizeitpark garantiert 1,3 Kilometer Fahrspaß steil bergab mit Kreiseln, Jumps und jeder Menge Kurven.“

Auch die Rodelbahn Gutach (Ortenaukreis) wirbt mit dem „Freizeitspaß und ein tolles Vergnügen für die ganze Familie.“ Auf der Webseite ist ein Großvater mit seinem drei- bis vierjährigen Enkel zu sehen, wie er das Tal hinunterrast. Am 16. August 2015 hatte sich hier eine 34-Jährige bei einem Sturz auf der Rodelbahn schwer verletzt.

Strenge Sicherheitsvorschriften

Der TÜV überprüft jedes Jahr, ob eine Anlage den technischen Anforderungen entspricht, die Gefahrenhinweise deutlich zu lesen und auf die Risiken ausreichend hingewiesen wird. Kinder müssen mindestens acht Jahre alt und 1,30 Meter groß sein, wenn sie alleine rodeln. Jüngere Kinder müssen von einem Erwachsenen begleitet werden. Rodelbahnen seien genauso wie Wasserrutschen oder Achterbahnen „mit bestimmten Risiken verbunden“, erklärt Stefan Kasper, Leiter der Abteilung Fliegende Bauten beim TÜV Süd.

Rodeln inklusive Risiken

Unfallursache seien weniger technische Mängel, sondern vor allem fehlerhaftes Verhalten der Benutzer. Die Sicherheitsvorschriften würden „Risiken wie Herausfallen aus der Rutsche, Zusammenstöße, Stürze, Verbrennung und Fangstellen“ explizit einschließen, so der TÜV-Prüfer. „Durch richtiges Verhalten können diese aber auf ein Minimum begrenzt werden.“

Auch Anton Dunzendorfer warnt: „Ohne die Eigenverantwortung der Bahnbenutzer nützt die sicherste Bahn allerdings nichts. Wir appellieren daher an die Sommerrodler die Mindestabstände zu beachten und mit der Geschwindigkeit nicht zu übertreiben.“