Knutschende Partygäste, spontane Eskalationen und eine Ohrfeige - Der Stuttgarter DJ Sumo hat für uns ein paar Geschichten aus dem Nachtleben ausgeplaudert.

Stuttgart - Über das Zitat in der Überschrift können wir nur lachen, denn: stimmt ja nicht. Muss man sich aber anhören, wenn man den Musikwünschen des Publikums nicht nach geht. Dabei vergessen diejenigen einfach die goldene Regel des Ausgehens: Man wünscht sich nichts beim DJ. Der kommt ja auch nicht zu dir und zeigt dir, wie man ordentlich tanzt.

 

Kommen wir aber zum Herrn, um den es hier gehen soll. Das ist niemand geringeres als Sumo, unter bürgerlichem Namen auch als Paul Göritz und aus verschiedenen Stuttgarter Bars und Clubs bekannt. Er legt in Locations wie dem ehemaligen Zwölfzehn, Bergamo, Yart, Kottan und weiteren auf. Doch gestartet hat seine DJ-Karriere auf der Theodor-Heuss-Straße.

Mit 18 Jahren Debüt im Barcode

Das kam so: Paul wollte schon immer Platten sammeln. Vom Konfirmationsgeld gab es dann Plattenspieler und einen Mischer. Ein Freund wusste auch damals schon um die Möglichkeiten, die man mit diesem Spielzeug hat und brachte Paul das Auflegen bei. Mit gerade einmal 18 Jahren hat Paul schließlich sein Debüt im Barcode gegeben und die ganze Nacht Techno und House geballert.

Bis zum Hip-Hop dauerte es noch ein paar Jahre. Bis er eine WG bezog und sein Mitbewohner auf den klangvollen wie bekannten Namen Henster hörte. Der zeigte ihm, wie Hip-Hop auf zwei Plattentellern funktioniert und zack sind wir auch schon in der Gegenwart.

VfB-Fan und Lokalpatriot

Was man sonst noch über Sumo sagen kann? Der ist eigentlich schon immer Großraum-Stuttgarter, auf dem Papier aber Saarländer und vielleicht deswegen seit Jahren schon Vegetarier, denn „die Saarländer haben einen ekelhaften Fleischkonsum“. Frühkindliches Trauma mit starkem Lyonerbezug! Zudem ist er VfB-Fan und stolzer Lokalpatriot, aber immer noch zum logischen Abwägen in der Lage. Stuttgart habe eine tolle Lage und viel Potenzial, für ihn als Motorradfahrer mündet das in der Nähe zu Italien. Was ihn stört? Man könnte sich gerne mal grüßen, wenn man sich beispielsweise bei einem Spaziergang im Wald begegnet. Oder das Kleinkarierte in den Köpfen der Menschen.

Achtung Quizfrage: Was ist Motorradfahrer Pauls liebster Drink? Richtig, Moped. Jetzt aber genug der Kalauer, schnappen wir uns das oder eine Weißweinschorle und begeben uns in die Geschichten der Nacht, heute mit Sumo. Vorhang auf.

Zeiten ändern sich

Als ich noch regelmäßig im Barcode aufgelegt habe, gab es einen Stammgast, der mir in Erinnerung geblieben ist. Er war immer sehr gut gekleidet, aber das auffälligste Merkmal war, dass er eigentlich nie mit jemandem geredet hat. Er kam rein, bekam seinen Drink an der Bar, und dann stand er schweigend da und hat maximal leicht mit dem Kopf zur Musik genickt. Vor ein paar Wochen habe ich im Dresden gespielt und einen Typen an der Bar gesehen. Hat ein bisschen gedauert, bis ich ihn wieder erkannt habe. Aber als ich mich dann wieder zu ihm gedreht hab, war er heftig am knutschen mit seiner Begleitung.

Spontane Eskalation

Im Sommer vor zwei oder drei Jahren habe ich am Hans-imGlück-Brunnen aufgelegt. Es war ein Donnerstag und so heiß, dass eh alle draußen saßen. Es sah nach einem ziemlich gemütlichen Abend aus: drinnen das Barteam und ich, draußen alle Gäste.

Bis heute weiß eigentlich keiner so genau, wie es dazu gekommen ist. Aber plötzlich war der Laden voll, alle sind völlig eskaliert und haben getanzt – sogar auf der Bar. Das Spektakel war viel zu laut und ging viel zu lang: Zwei mal ist die Polizei gekommen und um 5 Uhr war dann Feierabend. Klassischer Donnerstag.

Eine Tragödie in drei Akten

l. Ein Abend im 1210, wie üblich war es krachend voll, man brauchte eine Ewigkeit, um sich zum DJ-Pult vorzukämpfen. Ein Typ kam zu mir und wünschte sich Numb/Encore von Linkin Park. Ich meinte zu ihm, dass ich das nicht spiele. An einem anderen Abend hätte ich ihm vielleicht erklärt, dass das von Stil und Tempo momentan einfach nicht passt und ich den Song deswegen nicht spielen kann. Aber ich hatte keine Lust und sagte ihm höflich, aber bestimmt, dass der Song nicht gespielt wird. Er zog wieder ab zu seinen Freunden auf die Tanzfläche und brüllte: „Du bist der schlechteste DJ der Welt!“

Nachdem er sich so beliebt gemacht hatte, kam er immer wieder, um sich diesen Song zu wünschen. Beim letzten Mal, ich sagte wieder nein, hat er mir einfach kommentarlos eine Ohrfeige gegeben. Ich war so überrascht, dass ich gestolpert und auf ihn drauf gefallen bin.

II. So etwas bleibt natürlich nicht ungestraft. Ich hab den Kerl vom Türsteher rausschmeißen lassen. Kurze Zeit später wurde auch ich nach draußen zitiert. Dort stand mein neuer Freund und meinte, dass er mich nicht geohrfeigt hätte. Sein Pech, dass ich komplett nüchtern war an dem Abend und die Ereignisse wirklich bestens im Gedächtnis hatte. Also zog der Kerl sein letztes Ass aus dem Ärmel, begann zu weinen und beteuerte unter Tränen, dass es im Leid tue und er noch nie jemanden geschlagen hätte. Im Neinsagen war ich noch nie so gut, also hab ich den Kerl wieder reingelassen.

III. Mein neuer Freund fand mich jetzt ganz arg toll und wollte auch wissen, wann und wo ich als nächstes auflege. Ich erzählte ihm, dass ich am nächsten Tag in Konstanz spielen würde. Dort war ein Festival und abends eine Party, bei der ich auflegte. Daraufhin der Typ: „Ey, ich komm' aus Konstanz!“ Ratet mal, wen ich in Konstanz gesehen habe? Von der neu gewonnen Freundschaft schien aber nicht viel übrig geblieben zu sein. Denn mein doch-nicht-Freund hat mich gesehen und erkannt – aber sich nicht getraut, mich zu grüßen.