Was im Club passiert, bleibt im Club – von wegen! Bei unseren Gute-Nacht-Geschichten wird ausgeplaudert, was das Zeug hält. Stuttgarter DJs, Barkeeper und Türsteher bekommen absolute Sprecherlaubnis und hauen uns die derbsten Nightlife-Storys um die Ohren. Dieses Mal: Cristoforo 'kriZe' Marrazzo.

Stuttgart - Zusammenzufassen was Cristoforo 'kriZe' Marrazzo so macht, ist gar nicht einfach. Ein Versuch: In diesem Jahr feiert er gemeinsam mit Tome Aulicky das zehnjährige Jubiläum des Techno-Festivals Semf. Angefangen hat alles als dreitägiges Festival im Rocker 33, inzwischen ziehen die beiden mit dem Line-Up knapp 20 000 Besucher in die Messehallen auf den Fildern.

 

Gerade versucht er aber auch wieder mehr Musik zu produzieren. Die Wiederbelebung des Labels JaGoo Records ist der erste Schritt in diese Richtung, KWW-Records der zweite. Letzteres bedeutet "Komme was wolle", benannt nach der gleichnamigen Reihe, die er im Zollamt organisiert hat - eine Verbindung aus Outdoor-Event, Musik, Party und Kunst. Eine Verbindung, die im Laufe der Zeit für den 40-Jährigen immer wichtiger geworden ist. Auf dem Label möchte er genau die Musik veröffentlichen, die ihm am Herzen liegt: Deep, Urban und Elektronisch. Nichts mainstreamiges, sondern eher etwas Ruhiges "zwischen Dancefloor und Sofa" wie er sagt. Musik, die im Club aber auch Zuhause funktioniert.

Ein bisschen Melodie braucht Krize. "Das liegt wahrscheinlich an meiner Herkunft - um Italo-Pop komm ich einfach nicht herum", sagt er lachend. Seine Eltern kommen beide aus Italien, sind aber schon vor seiner Geburt nach Deutschland gezogen. Krize ist in Fellbach aufgewachsen, wo er auch die ersten Partys organisiert hat. Musikalisch sozialisiert wurde er mit spätestens 13 Jahren, da ging es mit gefälschtem Ausweis nach Stuttgart ins Oz. Die Eintrittskarten und Flyer hat er heute noch. "Musik war immer schon wichtig für mich". Die Begeisterung gibt er jetzt auch weiter, als Dozent für Veranstaltungsmanagement an der Akademie Deutsche Pop in Kornwestheim. Bald organisiert er außerdem das erste inklusive Festival im Jugendhaus Mitte.

Und mit diesen vielen Jahren als Veranstalter, DJ und Produzent auf dem Buckel, hat man natürlich auch einiges erlebt... Krize, lass uns teilhaben:

Reine Chefsache

Vor einem Jahr war ich in einer anderen Stadt als DJ gebucht. Die Location war eine Zwischennutzung und wirklich toll, nur dass sie wirklich mitten in der Stadt war, direkt beim Rathaus. Als wir gerade aufgebaut hatten, so gegen 22 Uhr, standen schon zwei Polizisten da und haben einfach nur gelacht. Sie meinten: "Das geht nie gut!" Sie selbst würden jetzt Feierabend machen, aber sie seien sicher, spätestens um Mitternacht würde uns der Laden dicht gemacht werden. Den Sound könnte man überall hören. Der Veranstalter hat natürlich Panik bekommen und den Bürgermeister dieser Stadt angerufen. Und was ist passiert? Dieser hat seine Freunde eingepackt und ist vorbeigekommen, hat getrunken und getanzt! Wir haben dann bis 8 Uhr in der Früh gefeiert - und wirklich keiner hat sich beschwert. Das war eine tolle Party!

Clubkultur und Kunst

Sehr schöne Erinnerungen habe ich an unsere Sessionpartys. Die haben immer am Sonntag stattgefunden. Am Morgen ging es los mit entspannter Musik, Frühstück, frischgepressten Säften. Man konnte in Hängematten liegen, sich massieren oder die Haare schneiden lassen. Das war auch für all jene ein toller Start, die noch total verkatert von Samstagnacht waren. Damals hat das angefangen, dass ich Kunst und Clubkultur vereinen wollte. Bis heute macht mich diese Verbindung, das Zusammenbringen von Disziplinen und Menschen glücklich. Eine Basis für Künstler unterschiedlichster Art zu schaffen, ist ein großer Antrieb für mich. Kultur ist doch letztlich das Einzige, das uns von den Affen unterscheidet. (lacht)

On Stage

Bei einem Semf hatten wir für eine sehr frühe Zeit einen Act gebucht. Wir dachten, das wäre klug, damit schon früh durch ihren guten Namen die Massen angezogen werden. So ganz ging der Plan zwar nicht auf, doch immerhin 400 Menschen standen vor der Bühne und tanzten. Für die Künstlerin war das trotzdem ungewohnt, deshalb hat sie plötzlich geschrien: "Alle auf die Bühne!" Das war natürlich ein Schock für die Securitys! Und für diejenigen, die auf der Bühne schon alles für die nächsten Acts vorbereitet hatten. Nichtsdestotrotz: Die Lady bat alle zu sich und alle haben dort oben schön Party gemacht.

Blood, Sweat & Tears

Die gleiche hat später ihre ganze Garderobe mit Kunstblut verschmiert. Als wir das gesehen haben, sind wir erst ganz schön erschrocken. Warum sie das gemacht hat? Keine Ahnung, wahrscheinlich ihre Art von Rock'n'Roll. Wir mussten danach jedenfalls die ganze Kabine renovieren.

Ausverkauft!

Wo ich wirklich tausend Tode gestorben bin, aber auch ganz schön viel gelernt habe, war beim Semf auf der Freilichtbühne Killesberg. Die Wettervorhersage war spitzenmäßig. Irgendwann hat uns Easy Ticket angerufen und gesagt: "Leute, ihr verkauft alle zwei Sekunden ein Ticket!" Am Ende waren wir ausverkauft. Wir haben uns total gefreut, aber unterschätzt was das bedeutet... Vor allem bei der Aftershow-Party im Kongresszentrum sind wir praktisch überrannt worden. Da standen Tausende vor der Tür, die rein wollten. Am Ende hat uns die Polizei geholfen alle in die Halle zu bringen, weil das Geschwätz vor der Tür für die Anwohner lauter war, als die Beats in der Halle.

Gute Nacht

Als Partygast hab ich natürlich auch schon das ein oder andere erlebt. Ein Freund hat sich mal in Köln ausversehen auf dem Plattenteller von Sven Väth abgestützt. In der Halle waren hunderte Fans, aber Sven Väth hat es sportlich genommen. Da fällt mir ein, dass ich beim Auflegen auch schon mal einen Sekundenschlaf hatte. (lacht)

Amor

Und noch eine total romantische Liebesgeschichte zum Schluss: Ich sollte mal auf einer Veranstaltung auflegen und bin leider kurz davor krank geworden. Freund und DJ LaLoc ist dann für mich eingesprungen und hat sich direkt in die Veranstalterin verliebt! Gut, sie sind nach drei Jahren zusammengekommen.