Was im Club passiert, bleibt im Club – von wegen! Bei unseren Gute-Nacht-Geschichten wird ausgeplaudert, was das Zeug hält. Stuttgarter DJs, Barkeeper und Türsteher bekommen absolute Sprecherlaubnis und hauen uns die derbsten Nightlife-Storys um die Ohren. Na, dann gut’s Nächtle! Dieses Mal: Thorsten Schwämmle vom Klub Karacho.

Stuttgart - Musiker, DJ, Veranstalter, Filmer, Barkeeper, Entrepreneur, Moderator, Tüftler. Irgendwie gibt es wenig, was Thorsten Schwämmle in seinem Leben noch nicht gemacht hat. Den Stuttgartern dürfte der herrlich unkomplizierte Typ aus Renningen natürlich vor allem als Oberhaupt der Alternative-Nostalgieparty Klub Karacho oder als Bier-Guru bekannt sein, der dem Osten mit seinem Kraftpaule endlich auch mal einen richtig duften Laden beschert hat.

 

Dass er mal bei WIZO gespielt hat und ganz allgemein in zig Bands tätig war und ist, dass er auch der federführende Schädel hinter dem mexikanischen Budenzauber Dia de los muertos ist und dass er mit Käptn Karacho auch eine abgefahrene Fantasiefigur erfunden hat, wissen wahrscheinlich nur diejenigen, die regelmäßig mit ihm in der Röhre abgestürzt sind. Ah, süße Submission-Zeiten, ein wenig fehlen sie auch ihm. Aber wie jeder gute Schwabe ist auch Schwämmle ein Schaffer, einer, der lieber in die Hände spuckt und was Neues macht, anstatt etwas Altem hinterherzuheulen.

Wir haben uns mal zum Stöckach aufgemacht und auf das eine oder andere Bier einladen lassen, um über Karacho und die Welt zu plaudern.

Bier für vier

Wahrscheinlich ist Kraftpaule eher einer dieser Läden, an dem sich die Leute treffen, schön was trinken und dann losgehen, um all diese krassen Geschichten zu erleben, von denen hier immer zu lesen ist. Wir liefern die solide Grundlage für ihre tollen Erlebnisse im Verlauf der Nacht. Bei unseren Tastings ist das allerdings etwas anders. Da schenken wir zwar meist nur 0,1 Liter pro Bier aus, aber viele davon sind recht potent. Spätestens beim dritten Bier wird’s laut und die Leute lachen, beim vierten steigen dann schon die ersten aus. Eines unserer Tastings endete damit, dass ein übereifriger Gast am Ende einfach mal so mit einem Messer auf einen 3000-Euro-Tisch eingestochen hat. Aber da hatten wir es auch übertrieben und zehn Biere ausgeschenkt. Vielleicht hätte ich nach dem Tasting auch nicht dieses eine rare und sehr starke Abteibier springen lassen sollen, das sehr, sehr stark war...

Der Veranstaltör hats schwör

Viele unterschätzen das Veranstaltungsbusiness extrem. Auch ich dachte anfangs, das alles selbst wuppen zu können: Aufbau, Abbau, dazwischen spiele ich noch selbst live auf meinen Partys, moderiere die ganze Nummer und kümmere mich am besten auch noch um alle anderen Leute. Das führte dann dazu, dass ich noch vor offiziellem Beginn meines ersten Dia de los muertos eine schicke Panikattacke hatte und der Krankenwagen angerauscht kam. Ich dachte, ich hätte einen Herzinfarkt, und wurde nur wieder rausgelassen, weil ich unterschrieb, dass ich auf Eigenverantwortung handle. Dann ging ich auf die Bühne und zog den Abend durch. Adrenalin ist eine tolle Sache. Heute würde ich jedoch jedem empfehlen, sich Hilfe zu holen – oder eben einfach so blöd zu sein wie ich und es allein durchziehen. Geht auch. Aber halt nicht gut.

Mein Freund Jack

Das denkwürdigste Konzert, das ich je in der Region gespielt habe, war im Kap Tormentoso. In der wilden Anfangszeit, als das noch ein echter Undergroundschuppen für Rocker war, ich glaub, das war so 2007. Die Anlage musste man selbst mitbringen, klar. Wir haben dort mit Church Of Hula gespielt, eine recht kleine Band, die wohl die wenigsten kennen dürften. Paul, der damalige Besitzer, stellte uns nach jedem Song einen neuen Jacky-Cola auf die Bühne, so dass wir am Ende raketenvoll waren. Lange Songs hatten wir nämlich eher weniger. Irgendwann wurden Gitarren durch die Gegend geschmissen und unser fast zwei Meter großer Sänger sprang ins Schlagzeug. Ich will gar nicht wissen, was die 20 Zuschauer von uns gedacht haben.

Gewohnheitstier

Mittlerweile habe ich einen recht kleinen Radius, weil ich gern die Leute besuche, die ich auch unterstützen möchte. Ich fange mit einem Kaffee bei Ratzer Records an, geh mir dann bei Super Jami was zu essen holen und lande danach häufig im Goldmark's. In diesem Laden gilt „come as you are“, ich kann genau der bleiben, der ich bin. Das ist angenehm. Am Keller Klub gefällt mir die Treppe, die in ein dunkles Loch herabführt. Das hat was Verwegenes. Natürlich hängt ein Lieblingsladen immer auch mit guten Typen zusammen, die hier Gutes tun. Für mich sind das Robin Bauer, Michael Setzer oder Micha Schmidt. Typen wie die braucht jede Stadt.

Same procedure as every year

Ich würde mich niemals als DJ bezeichnen. Möchtegern-DJ, wenn schon. Ich drücke Play, das ist alles. Bei Klub Karacho haben wir den Hauptaufreger vieler anderen DJs zu unserem Markenzeichen gemacht: Wir spielen das, was die Leute hören wollen. Ich meine, es geht doch um die Leute, oder? Natürlich gibt es DJs, die auch ohne Wünsche eine saugute Party hinkriegen, aber wir gehören nicht dazu. Wir spielen das, was gefordert wird, also kann sich im Nachhinein auch niemand beschweren, dass den ganzen Abend nur Scheiße lief. Auch wenn es auffällig ist, dass sich die gleichen Menschen jedes Mal das Gleiche wünschen. Und doch drehen sie immer wieder durch, selbst wenn ein Song zweimal am Abend läuft. Schlimm finde ich das überhaupt nicht – da finde ich deutlich schlimmer, dass viele Leute zu uns in den Kraftpaule kommen und ein Radler bestellen. Radler!

Die gute alte Zeit

Im Finkennest gab es immer einen Transvestiten an der Bar, der sich überhaupt keine Mühe gegeben hat, weiblich auszusehen. Keine rasierten Beine, überall Haare, ein Glasauge, Perücke und den schlechtesten Klamottengeschmack aller Zeiten. In dieser Bar bin ich an Silvester mal eingepennt und irgendwann später friedlich wieder aufgewacht.

Zukunftsmusik

Mein Traum ist ein eigenes Kraftpaule-Zelt auf dem Wasen. Wir fangen jetzt schon mal klein an mit einem Kraftpaule-Ausschank auf dem Feuerseefest, wo wir der einzige offizielle Ausschank neben Dinkelacker sind. Wir würden einen Klub Karacho machen, Craft Beer servieren und ich würde mit den Los Skeletores spielen. Naja, schauen wir mal. Ich finde eh, dass man in Stuttgart mehr ausprobieren müsste. Die Leute, die sich darüber beschweren, dass hier zu wenig geht, sollen eben erst mal selbst was auf die Beine stellen. Klar, es ist schwer, hier an Räumlichkeiten zu kommen und es geht hier weniger als in anderen deutschen Großstädten. Viele warten hier aber einfach erst mal ab, ob eine Idee funktioniert, und springen dann auf den Zug auf. Meine Vision wäre eh, dass man aus der Stadt rausgeht und mit ein paar anderen Leuten eine Art Rock'n'Roll-Land in einem leeren Industrieareal irgendwo vor den Toren Stuttgarts gründet. Mit Clubs, Kneipen und Gastronomie, weit weg von den horrenden Mieten und dem Platzmangel in der Innenstadt. Stuttopia oder so, aber am Namen kann man ja noch feilen...