Auch in diesem Jahr kommen auf dem Marienplatzfest verschiedenste Kulturen, Musik-Genres und Menschen zusammen. Wir haben den Programmverantwortlichen Reiner Bocka getroffen und ihm einige Anekdoten zum "kleinen Feschtle" entlocken können. 

Stadtkind: Laura Müller-Sixer (six)

Stuttgart - "Peace and Love", ruft Reiner Bocka am Donnerstagabend von der Bühne aus durch das Mikrofon. Und nicht nur auf dem Platz liegt Liebe in der Luft. Auch hinter den Kulissen gilt: "Das Marienplatzfest ist Gemeinschaftssache." Zusammen mit Michael Benz, Anna-Sophie Siebers, Tobias Reisenhofer, Marci Brucker und Peter Streibel bildet Reiner das Team um das Open-Air im Süden. Fünf Jahre und mehrere Organisatoren später ist er immer mit Herzblut dabei. Wie das geht? Reiner sagt: "Wir lassen uns gegenseitig genügend Freiraum." 

 

Einer für alle - alle für einen!

Reiner selbst ist verantwortlich für die Programmgestaltung. Beim Booking zählt: Auf die Bühne kommt nur handgemachte Musik. Mainstream? Nein Danke! Auch wenn es wie aus einem Beziehungsratgeber entsprungen klingt, für die gute Seele aus dem Galao ist Vertrauen die Basis vom "kleinen Feschtle". "Jeder hat seinen eigenen Aufgabenbereich und respektiert die Arbeit der Anderen.“

Doch wie fing eigentlich alles an? An welche Situationen erinnert man sich gerne zurück und knallt es bei so viel Harmonie nicht auch mal? Reiner, jetzt erzähl doch mal:

"Du willst, dass die Leute deine Bands hören? Dann stell sie auf den Marienplatz!" 

Alles begann mit dem Gedanken, die Bands aus dem Galao einer breiteren Masse zugänglich zu machen. Man hat zu mir gesagt: "Du willst, dass die Leute deine Bands hören? Dann stell sie auf den Marienplatz!" Blutjung und grün hinter den Ohren haben wir dann einen Antrag gestellt, der auch relativ schnell genehmigt wurde. Natürlich hat am Anfang niemand an den Erfolg geglaubt. Immerhin war der Marienplatz damals noch total ausgestorben. Es hatten schon viele versucht, die Stuttgarter dort hinzulocken. Und dann noch diese Indie-Musik, die sowieso keiner kennt – "zieht bestimmt nicht!" Auch wenn wir nur ein Mini-Budget hatten, schon im ersten Jahr wurde der Marienplatz voll. Das war ein tolles Gefühl. 

Plötzlich Headliner

Das lag mitunter auch an unserem Headliner, von dem sich erst später herausstellte, dass es überhaupt einer war. Ich habe damals Me And My Drummer zufällig beim Rauchen getroffen und wir sind ins Gespräch gekommen: "Na Matze, was machste so? Ach Musik, cool!" Natürlich musste ich dann fragen, ob sie nicht Lust hätten auf dem Marienplatzfeschtle zu spielen. Was ich noch nicht wusste: Sie waren gerade dabei ihr Debütalbum zu veröffentlichen. Innerhalb der wenigen Monate bis zum Fest sind die Zwei dann total durch die Decke gegangen. Was für ein Zufall!

Hotel Galao

Die ersten Jahre war das alles noch sehr neu für uns. Viele unserer Mitarbeiter schafften natürlich auch am Ausschank auf dem Fest. Wir waren im Galao also teilweise total unterbesetzt. Ein ehemaliger Mitarbeiter war erst zwei Wochen bei uns und hat jeden Tag gearbeitet. Während diesem Wochenende hat er jede Nacht auf den Fellen im Galao geschlafen und ist morgens wieder gut gelaunt zum Arbeiten aufgestanden. Das zeigt ja eigentlich auch den Spirit der ganzen Sache.

"Geht bitte alle vom Platz!" 

2016, als auch das Southside wegen Unwetter abgesagt wurde, kam Micha, der die Organisation macht, zu mir und meinte: "Reiner du musst jetzt sofort auf die Bühne und den Abend absagen." Ich habe ihn dann beruhigt, bin auf die Bühne und habe ganz entspannt erzählt: "Hey Leute, passt auf, hier wird es gleich ungemütlich. Geht bitte alle vom Platz." Alles ganz ohne Stress. Innerhalb von zehn Minuten war der Platz leer. Und für mich und Micha war das echt ein toller Moment, weil wir gemerkt haben: „Cool, wir ziehen an einem Strang." 

Ein Herz für Freaks

Genau erinnern kann ich mich noch an die Sailing Conductors, die mit einem bunten Schulbus und vielen Musikern aus aller Welt vorgefahren kamen - total sympathische Freaks. Vor allem die Sängerin war vor dem Auftritt so in sich gekehrt, ich dachte wirklich, da stimmt etwas nicht. Dann fing sie an und sang aus ganzem Herzen. Das war so "subba"! Die ganze Mannschaft ist dann sogar noch eine Woche länger geblieben und hing am Galao ab. Dort haben sie unsere Parkletts verschönert und auch Autos besprüht – natürlich nur von denen, die es wollten!

Die härteste Tür der Tübinger Straße

Zum Marienplatz haben wir die härteste Tür in der Tübinger Straße. Immerhin wollen wir keinen Anlass für unnötigen Stress geben. Darum kümmert sich dann unser Frank (Fränk), Profi-Rugby-Spieler und eine Seele von Mensch. An ihm muss jeder vorbei. "Das Zusammensein ist das Schöne." Es gibt echt viele bunte Vögel auf dem Marienplatzfest. Ich erinnere mich da an einen Mann in weißen Gewändern, der jedes Jahr da ist und ganz exzentrisch zu unserer Musik tanzt. Ihn könnte man fast selbst als Performer auf die Bühne stellen. Aber das ist auch das wichtige am Fest, dass die unterschiedlichsten Leute zusammenkommen und tanzen. Das Zusammensein ist das Schöne.

Früh übt sich

Es ist echt verrückt, am Dienstag habe ich ein paar Jungs auf dem Platz getroffen, die es sich bereits auf den ersten Paletten bequem gemacht hatten. Sie fragten mich: "Dürfen wir heute schon Marienplatzfest feiern?" Man merkt einfach, wie die Leute mitfiebern. Mittlerweile werde ich sogar schon von schaukelnden Kindern gegrüßt, die mir zuwinken und "Hallo Reiner" rufen.

Ein friedliches Miteinander

Die Stimmung ist das Schlüsselelement vom Marienplatzfest. Die ersten Tage bin ich schon sehr gestresst, aber wenn abends die letzte Band spielt und ich in die Menge schaue und alle happy sind und friedlich feiern, dann denk ich mir immer: "Genau dafür machen wir das!"