Christbäume all überall. Gefühlt werden sie derzeit an fast jeder zweiten Ecke angeboten, auch in Leonberg und Umgebung. Ein Besuch auf drei besonderen Märkten.

Leonberg/Rutesheim - Seit genau einem halben Jahrhundert beglückt Erich Rettenmaier die Leonberger im Dezember mit Bäumen aus seinem eigenen Wald. Dafür nimmt der 82-Jährige eine ziemliche Anfahrt auf sich, denn sein Hof befindet sich bei Oberrot in der Nähe von Backnang.

 

Morgens um 10 Uhr auf dem Leonberger Marktplatz: Bei kaltem Wind und Regen herrscht die sprichwörtlich tote Hose. Erich Rettenmaier, seine Tochter Heide Wulf-Beyer und die Enkelin Franziska haben Zeit für ein Gespräch. 1970 kam der Nebenerwerbslandwirt zum ersten Mal mit dem grünen Weihnachtsschmuck nach Leonberg. Eine Bekannte, die am Marktplatz ein Geschäft hatte, schlug ihm dies vor und die Stadtverwaltung erlaubte ihm, seine Bäume beim Brunnen aufzustellen.

Vieles hat sich seitdem verändert, sagt Erich Rettenmaier. Nicht nur, dass der Marktplatz umgestaltet wurde, sondern es sei dort auch viel weniger los als früher. Heute seien 90 Prozent der Käufer der etwa 300 angebotenen Bäume Stammkunden, schätzen Vater und Tochter. Heide Wulf-Beyer war schon als Zehnjährige mit dabei und kennt das Weihnachtsbaum-Geschäft und auch die Arbeit im Wald aus dem Effeff.

Verändert haben sich auch die Wünsche der Kunden in den fünf Jahrzehnten. Wurden anfangs Fichten und ein paar Weißtannen verkauft, so möchten die Leute heute vor allem die stabilen und nicht stechenden Nordmanntannen. Nur vereinzelt werden Küstentannen, Douglasien oder Blaufichten nachgefragt, erzählen die beiden. Just in diesem Moment kommt ein Vater mit seinem kleinen Sohn, der genau so eine Blaufichte auswählt. „Die duften viel besser“, sagt er. „Ja, die haben viel mehr Harz als die Nordmanntannen“, erklärt Heide Wulf-Beyer.

Ob Erich Rettenmaier selbst im nächsten Jahr, dann zum 51. Mal, noch einmal nach Leonberg kommt, lässt er offen. Die Gesundheit sei nicht mehr die allerbeste, sagt er. „Wir sind ein kleiner Betrieb“, erklärt Heide Wulf-Beyer. Fünf Familienmitglieder sind an diesem Tag in Leonberg aktiv, denn an der Steinstraße haben sie auch noch einen Verkaufsstand. „So lange es sich auszahlt, machen wir es.“

Es werde deutlich weniger verkauft als früher, was vielleicht auch daran liege, dass der Weihnachtsbaum nicht mehr den Stellenwert hat wie früher, vermutet Heide Wulf-Beyer. Währenddessen zeigt die 15-jährige Franziska schon den nächsten Kunden die gewünschten Bäume.

Bio-Baum aus dem Stadtwald

„Sie hätten schon um sieben kommen sollen, da standen die Leute hier Schlange“, sagt Ulrich Neumann lachend mit Blick auf den dezimierten Christbaum-Bestand vor dem Rutesheimer Rathaus um acht Uhr morgens. Der Förster, der den Wald der Stadt sowie den der Gemeinde Weissach – insgesamt rund 1200 Hektar – betreut, ist mit seinen Forstwirten schon früh auf den Beinen. Und auch die Kundschaft tut es ihnen gleich. Noch im Dunkeln werden die ersten Tannen ausgewählt. Gut einhundert Bäume aus dem kommunalen Wald werden wieder die Weihnachtsstuben schmücken. Auch hier sind es vor allem Nordmanntannen, die eigentlich aus Georgien stammen, aber auf den hiesigen Weihnachtsbaumkulturen auch gut gedeihen, erklärt der Förster.

„Viele Leute wollen genau wissen, wo und wie der Baum gewachsen ist“, sagt Ulrich Neumann. „Wir erklären dann, dass wir quasi Bio-Ware haben, die aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammt und nicht gedüngt wurde.“ Den großen Zuspruch der Rutesheimer erklärt er damit, dass dieses für die Einwohner gedachte Angebot womöglich günstiger sei als bei anderen Anbietern. Wie viel am Ende in der städtischen Kasse landet, weiß Günter Dums genauer. Der Leiter der Stadtkasse kassiert an diesem Tag und wird, so seine vorläufige Schätzung, etwa 2500 Euro für die Weihnachtsbäume einnehmen.

Spende für das Seehaus inklusive

Elviera Schüller-Tietze entscheidet sich zusammen mit ihrem Mann auch diesmal wieder für einen ziemlich großen Weihnachtsbaum. „Wir kaufen ihn hier jedes Jahr“, erklärt die Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Leonberg. „Hier gibt es schöne Bäume und wir unterstützen damit auch das Seehaus.“ Die Leonberger Einrichtung, die sich um straffällig gewordene junge Männer kümmert, verkauft bereits zum sechsten Mal an zwei Wochenenden Weihnachtsbäume, die überwiegend aus Calw-Heumaden und zum kleineren Teil aus der Heilbronner Gegend stammen, wie Seehaus-Mitarbeiter Martin Bugelnig erklärt.

Rund 300 Nadelbäume haben sie zum Seehaus geschafft und bieten sie dort in der großen Halle mit der Hilfe von Ehrenamtlichen an. Die vor Wind und Regen geschützte Kundschaft lässt sich Zeit, prüft diesen und jenen Baum auf weihnachtliche Tauglichkeit und gönnt sich zwischendurch selbst gebackene Gutsle oder ein Heißgetränk. „Häufig suchen die Kinder den Baum aus“, hat Martin Bugelnig beobachtet. Der Lohn der Mühe: Rund 30 Prozent der Einnahmen fließen in die Arbeit des Seehauses Leonberg.