Wie viel von Kirill Serebrennikow wird in Stuttgart nun zu sehen sein? Es gibt einen Spielfilm, der im Rohschnitt fertig ist; zurzeit verhandelt die Oper mit dem Anwalt des Regisseurs, über den allein eine (mühsame) Kommunikation möglich ist, darüber, welche Szenen daraus aktuell verwendet werden dürfen. Bei den Dreharbeiten in Ruanda und in Stuttgart war die Produktionsdramaturgin Ann-Christine Mecke dabei, und ein Team des SWR hat über diese Arbeit einen Dokumentarfilm gemacht. Ein kurzer Ausschnitt aus Serebrennikows Streifen ist am Dienstagmorgen zu sehen: Er zeigt zwei ruandische Kinder, die in einer Hütte zum „Brüderchen, komm, tanz mit mir“ aus Humperdincks Oper ausgelassen umhertanzen, und die SWR-Doku hält fest, wie der Regisseur und sein Übersetzer den Kindern zurufen: „Hey, jeden Moment kann eure Mutter zurückkommen, und vielleicht schlägt sie euch dann tot.“

 

Die Oper Stuttgart hat Serebrennikow zugesagt, sein Raum- und Kostümkonzept nicht zu benutzen. Man hofft, weiterhin: dass der Regisseur, auch befördert durch die weltweiten Proteste von Künstlern und Politikern, zu jenen 0,36 Prozent der Beschuldigten in Russland gehören wird, denen am Ende ihrer Freiheit zurückgeschenkt wird; dass Serebrennikow doch noch nach Stuttgart kommen und seine eigene Inszenierung von „Hänsel und Gretel“ fortsetzen und beenden wird - notfalls erst nach der laufenden Spielzeit, also unter dem neuen Opernintendanten Viktor Schoner, mit dem auch dies bereits abgesprochen wurde. Übernommen wird für die Premiere im Oktober nur die Grundidee einer Kombination von Kunstformen – die Sänger auf der Bühne werden live auf die Geschehnisse und Bilder im Film reagieren. Viele Mitarbeiter des – so Wieler - „Ausnahmekünstlers und Freigeistes Serebrennikow, auf den Russland stolz sein könnte“, sind jetzt in Stuttgart, bringen sich ein.

Die Oper soll ein „Fest der Freiheit“ werden

Ein „Fest der Freiheit“ soll „Hänsel und Gretel“ werden. Und Ausdruck einer politischen Haltung, die auch in einem vielteiligen Begleitprogramm zu Ausdruck kommen soll, das die Oper gerade konzipiert. Filme Serebrennikows werden dabei zu sehen sein, Videoaufzeichnungen von Theater- und Musiktheaterproduktionen; außerdem wird es Vorträge geben und ein Podiumsgespräch zur Situation der Kunst in Russland. Es sei „ein starkes Signal, an dieser Produktion festzuhalten“, sagt am Dienstag die baden-württembergische Kunststaatssekretärin Petra Olschowski; Kunst müsse, auch wenn sie vom Staat mitfinanziert werde, unbedingt unabhängig von diesem agieren dürfen, „und angesichts der aktuellen Wahlprogramme bestimmter Parteien ist das auch in Deutschland nicht selbstverständlich“.