Der angeklagte NS-Verbrecher Hans Lipschis saß mehr als 200 Tage in Untersuchungshaft. Einen Prozess gegen ihn wird es allerdings nicht geben: Der 94-Jährige ist dement. Nun bekommt er Geld.

Der angeklagte NS-Verbrecher Hans Lipschis saß mehr als 200 Tage in Untersuchungshaft. Einen Prozess gegen ihn wird es allerdings nicht geben: Der 94-Jährige ist dement. Nun bekommt er Geld.

 

Stuttgart - Der frühere KZ-Wachmann Hans Lipschis hat Anspruch auf 5350 Euro Haftentschädigung. Nach Auskunft des Justizministeriums in Stuttgart vom Mittwoch beträgt Lipschis’ Entschädigung 25 Euro pro Hafttag. Der 94-Jährige war wegen Beihilfe zum Mord an mehr als 10.000 Menschen im Vernichtungslager Auschwitz angeklagt worden und Anfang Mai 2013 in U-Haft gekommen. Anfang Dezember wurde er wegen Demenz freigelassen. Ende Februar lehnte das Landgericht Ellwangen die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den gebürtigen Litauer ab, weil sie ihn als verhandlungsunfähig einstuft. In Auschwitz wurden mindestens 1,1 Millionen meist jüdische Häftlinge ermordet.

Am Dienstag teilte das Oberlandesgericht Stuttgart mit, ein Verfahren gegen den 94-Jährigen habe sich endgültig erledigt, weil die Nebenkläger ihre Beschwerden gegen den Beschluss des Landgerichts Ellwangen zurückgezogen hätten. Lipschis hatte die Haftmonate im Gefängnis-Krankenhaus in Asperg (Kreis Ludwigsburg) verbracht.

Der frühere Angehörige des SS-Totenkopf-Sturmbanns lebte nach Kriegsende zunächst in Norddeutschland, wanderte 1956 aber nach Chicago (USA) aus. Dort wurde ihm die amerikanische Staatsbürgerschaft aberkannt. Ende 1982 wurde er aus den USA ausgewiesen, lebte seither in Aalen im Ostalbkreis. Den Fall ausgegraben hatte die NS-Fahndungsstelle in Ludwigsburg unter Leitung von Oberstaatsanwalt Kurt Schrimm.

Außer Lipschis gibt es noch weitere sechs Tatverdächtige im Südwesten

Ende November hatte die Zentrale Stelle 30 Vorermittlungen an 14 Staatsanwaltschaften in elf Bundesländern abgegeben. Allen Verdächtigen wird Beihilfe zum Mord im Vernichtungs- und Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau vorgeworfen.

Außer Lipschis gibt es noch weitere sechs Tatverdächtige im Südwesten. Sie alle sind auf freiem Fuß. Zuvor waren in ihren Wohnungen in Rottweil, Freiburg, Ilvesheim, Gerlingen, Wiernsheim und Karlsruhe bei einer Razzia diverse Unterlagen sichergestellt worden. Fünf Männer äußerten sich nicht zu den Vorwürfen. Der 88-Jährige aus Wiernsheim erklärte, in Auschwitz gewesen zu sein. Eine Beteiligung an der Tötung von KZ-Insassen stritt er aber ab.

Die baden-würtembergische Schwerpunktstaatsanwaltschaft für NS-Verbrechen muss nun prüfen, wann die Verdächtigen in Auschwitz waren, welcher Wachkompanie sie angehörten, wann und welche Kompanie im Einsatz war und wie viele Menschen in dem relevanten Zeitraum umgebracht wurden.