Seit Jahren herrscht Streit zwischen dem Gemeinderat und dem Verwaltungschef Heinrich Götz. Nach fünf eigenmächtigen Prozessen hat nun eine Mehrheit des Rates den Spielraum des 57-Jährigen erheblich eingeschränkt.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Haigerloch - Es hat sich viel Ärger angestaut in den vergangenen Jahren in Haigerloch, diesem schönen Städtchen im Eyachtal im Zollernalbkreis: Zunächst gab es zwischen dem Gemeinderat und dem Bürgermeister Heinrich Götz (CDU) wohl nur wechselweise enttäuschte Hoffnungen – doch dann wurde die Debatte immer ruppiger und die Stimmung immer eigenartiger.

 

Am Dienstag kam es nun zum Showdown: Dem Rathauschef wurden, wie es ein empörter Götz-Unterstützer formulierte, Handschellen angelegt. In der Tat hat die Mehrheit des Rats die Summe, die Götz ohne Rücksprache mit dem Gemeinderat ausgeben darf, um Gutachter oder Anwälte zu beauftragen, drastisch auf 500 Euro herabgesetzt. Den Betrag, über den er zur Anschaffung von Materialien verfügen kann, hat man auf 7500 Euro halbiert. „Dann stoppen wir halt jetzt jede Baustelle, wenn die 500 Euro verbraucht sind“, unkte Götz: „Ich halte die Konsequenzen aus.“

Haigerloch tut das schon lange nicht mehr. Das Städtchen befindet sich in einem lähmenden Zustand der Zerrissenheit, der rathausinterne Kampf bindet bei allen Beteiligten viel Zeit und Kraft. Dabei war Götz vor zehn Jahren als Hoffnungsträger gekommen, nachdem der Vorgänger wegen eines Untreueverfahrens zurückgetreten war – nach 36 Jahren als Bürgermeister. Doch während die Gewerbegebiete in den Nachbarorten Empfingen und Rangendingen boomen, läuft in Haigerloch bis heute wenig. Dabei ist die Stadt mit ihren 11 000 Einwohnern hochverschuldet und bräuchte dringend mehr Gewerbesteuern. Die CDU-Fraktion, also die Parteifreunde von Götz, und die Sozial-Ökologische Liste (SÖL) kreiden die Misere zunehmend Götz an – er tue zu wenig.

Der Alt-Bürgermeister mischt weiter kräftig mit

Dann gab es 2012 einen bizarren Streit über den juristischen Doktortitel des Bürgermeisters, den dieser an einer slowakischen Universität erworben hatte – ein Haigerlocher Wissenschaftler zweifelte die Korrektheit an, doch ein Gericht beschied, formal sei alles mit rechten Dingen zugegangen. Bei der Bürgermeisterwahl 2014 rückte die CDU endgültig von ihm ab und stellte eine eigene Kandidatin auf. Götz wurde aber mit 54 Prozent wiedergewählt.

Vor einem halben Jahr ist dann alles eskaliert. Entzündet hat sich die Sache an Bauschutt, der nach einer Gesetzesänderung zu Unrecht auf einer Deponie gelagert war. Götz, der dafür wirklich nichts konnte, erhielt einen Strafbefehl über 7200 Euro; er habe zu wenig unternommen, um die Altlast zu entfernen, argumentierte das Amtsgericht Balingen. Unter der Rubrik „Die Stadt informiert“ wurde Götz im April im Amtsblatt einigermaßen persönlich: Er unterstellte dem Vorgänger Roland Trojan eine freundschaftliche Verbundenheit mit der Baufirma und schrieb, dass er den Strafbefehl nur akzeptiere, „weil ich endlich einen Schlussstrich unter diese von meinem Amtsvorgänger eingebrockte Angelegenheit ziehen möchte“.

Bürgermeister verklagt zwei Zeitungen – und verliert

Trojan ließ das nicht auf sich sitzen. Er erschien zuerst in der Bürgersprechstunde, um seinem Nachfolger den Rost runterzutun, wie man im Schwäbischen sagt, dann stellte er eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Götz – er wollte eine Gegendarstellung im Amtsblatt erwirken. Das Landratsamt gab Trojan recht. Götz betonte dagegen immer, die Behörde habe ihn nur gebeten, Trojans Gegenrede abzudrucken, er müsse dies aber nicht zwingend tun.

Freunde werden Trojan und Götz nicht mehr. „Ich weiß, ich sollte mich nicht einmischen“, meint der 75-jährige Altbürgermeister gegenüber unserer Zeitung: „Aber es kommen immer noch so viele Bürger, die mich um Rat fragen – die kann ich doch nicht wegschicken.“ Heinrich Götz teilte per E-Mail mit, er gebe derzeit keine Interviews, da er schlechte Erfahrungen mit einer großen Zeitung gemacht habe.

Als Trojan im Mai die örtliche Presse über seinen Triumph informierte, ärgerten die Artikel Heinrich Götz derart, dass er zwei Zeitungen und deren Online-Auftritte verklagte – ohne den Gemeinderat zu informieren, was aufgrund des Streitwertes unabdingbar gewesen wäre. Alle drei Prozesse gingen aus Götz’ Sicht verloren, obwohl er einen speziellen Anwalt für Presserecht beauftragt hatte. Der 57-Jährige zeigte sich reumütig und entschuldigte sich. Und er ist bereit, alle Gerichtskosten in Höhe von rund 15 000 Euro aus eigener Tasche zu bezahlen. Doch für die CDU und die SÖL war das Maß voll, zumal sich herausstellte, dass Götz zuvor schon zwei andere Prozesse ohne Wissen des Gemeinderates geführt hatte. So kam es nun zur Beschränkung der Handlungsfähigkeit des Bürgermeisters. Der SÖL-Chef Konrad Wiget, einer der Hauptkritiker, gibt sich fast schon resignativ: „In einer Ehe würde man sich scheiden lassen, aber das geht bei uns leider nicht.“

Jetzt kommt ein Ermittlungsverfahren dazu

Die Freien Wähler stehen dagegen weiter hinter dem Bürgermeister: „Wer möchte und kann in solch einer ‚Zwangsjacke‘ effektiv arbeiten?“, fragte der Fraktionschef Hans Fischer am Dienstag rhetorisch. Allen steckt die Sache in den Knochen, es gab Zwischenrufe pro Bürgermeister, ein Ortsvorsteher verließ aus Protest den Saal. Allerdings: Auch die Freien Wähler wollen, dass Götz kein Gerichtsverfahren mehr ohne den Gemeinderat anzetteln kann.

Am Mittwoch wurde zudem bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Hechingen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet hat, weil Götz die Kosten für die Prozesse zunächst aus der Stadtkasse bezahlt haben soll. So lange ruhen drei Dienstaufsichtsbeschwerden, darunter eine von CDU und SÖL.

Haigerloch dagegen kommt nicht zur Ruhe, obwohl sich das alle wünschen. Und das Schlimme ist: Niemand weiß mehr, wie man den gordischen Knoten durchschlagen könnte. Nach der hitzigen Sitzung am Dienstag trafen sich Räte aller drei Fraktionen noch in der „Krone“ auf ein Bier. Doch es herrscht Ratlosigkeit. Er habe Götz mehrfach Friedensangebote gemacht, sagt der CDU-Vorsitzende Karl-Heinz Schneider – vergebens. Der Bürgermeister selbst sieht sich wohl als Opfer; seit Jahren würden er und seine Familie „durchgenudelt“, meinte er in der Sitzung. Beobachter schütteln darüber nur den Kopf: Götz solle sich an die eigene Nase fassen, er sei rau im Ton und schnell gekränkt, sagt einer. Beides wären in der Tat sehr ungünstige Eigenschaften, gerade für einen Bürgermeister.