Als „Tunichtgute“ haben Ministerpräsident Kretschmann und Innenminister Thomas Strobl straffällige Flüchtlinge bezeichnet. In Zukunft wollen sie schneller gegen Straftäter vorgehen.

Stuttgart - Die grün-schwarze Koalition zieht gerade Halbzeitbilanz, und ein bisschen ist das so, als ließe man Schüler ihr Zeugnis selbst schreiben. „Nüchtern betrachtet erfolgreich“, lautet das Motto von vier Bürgergesprächen, auf denen sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und sein Stellvertreter Thomas Strobl (CDU) ins rechte Licht rücken. Die Auftaktveranstaltung fand an diesem Montag in Stuttgart statt – doch ganz so einfach hatten es die beiden dann doch nicht.

 

Das schlechte Abschneiden bei Bildungsvergleichen, die Herausforderungen der Automobilindustrie, die Schwächen bei der Digitalisierung – die Moderatoren Joachim Dorfs und Christoph Reisinger, Chefredakteure der „Stuttgarter Zeitung“ und der „Stuttgarter Nachrichten“, ließen kaum einen neuralgischen Punkt aus. Und steht Strobl aktuell nicht massiv unter Druck wegen des Vergewaltigungsfalls in Freiburg? Dorfs: „Ich dachte, Sie machen was!“

Beim Thema sicherer Herkunftsländer sind sich die Politiker nicht einig

Die Landesregierung habe keinen Nachholbedarf bei der inneren Sicherheit, hielt Strobl dagegen und repetierte sämtliche Verbesserungen bei der Polizei. Und was die Forderung nach schnelleren Abschiebungen von Flüchtlingen angeht, verwies Kretschmann auf die Einschätzung des Auswärtigen Amtes, wonach Syrien eben kein sicheres Herkunftsland sei.

Allerdings wollten die beiden es nicht darauf beruhen lassen, dass man gegen „Tunichtgute“, wie sie straffällige Flüchtlinge nennen, einfach keine Handhabe hat. „Wir müssen schneller reagieren, nicht erst nach einem Schwerverbrechen“, sagte Kretschmann und kündigte Sondierungen dazu an, „was rechtlich möglich ist“. Strobl wiederum forderte vom Auswärtigen Amt eine aktualisierte Lagebeurteilung von Syrien, um eventuell in einige Gebiete doch abschieben zu können: „Die alte stammt aus dem Jahr 2012.“

Überhaupt blickten die beiden Matadore der Koalition bei ihrer Bilanz weniger zurück als nach vorne. Die nächsten zweieinhalb Jahre scheinen ihnen wichtiger zu sein als die erste Halbzeit. Beim Thema Mobilität zum Beispiel kündigte Strobl an, dass das S-Bahnnetz im Großraum Stuttgart eine neue, digitalisierte Sicherheitstechnik erhalten soll: „Das bringt eine Taktverdichtung um bis zu 20 Prozent.“ Kretschmann wiederum zog mobilitätspolitische Schlüsse aus der jüngsten Reise ins Silicon Valley und plädierte dafür, die eigenen Stärken zu pflegen, anstatt „mit Giganten“ zu konkurrieren: Mit hoher Lebensqualität und Sicherheit könne das Land eben auch um internationale Fachkräfte werben. Überhaupt Digitalisierung: Das Thema zog sich wie ein roter Faden durch den Abend. Wobei Strobl auch ein paar Kehrseiten erwähnte. Wer etwa eine flächendeckende Versorgung mit dem superschnellen Mobilfunkstandard 5G wolle, der müsse auch bis zu zehnmal mehr Sendemasten akzeptieren.

In Baden-Württemberg läuft es besser als in Berlin mit der Großen Koalition

Misstöne? Mitnichten. Zwischen Kretschmann und Strobl scheint kein Blatt Papier zu passen. Auf die Frage, warum die Koalition im Südwesten so viel besser läuft als in Berlin, zuckten beide nur mit den Schultern, und Strobl sagte: „Das ist doch schön für unser Land.“