Die Stuttgarter Verwaltung hat ein Konzept vorgelegt, wonach Freizeitsportler künftig weniger Zeit zum Schwimmen in den Hallenbädern haben. Bei einer Blitzumfrage im Stadtteil Sonnenberg wird der Unmut der Stammgäste über diese Idee deutlich.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Sonnenberg - Bruno Nagel ist Stammgast. Seit vielen Jahren kommt er einmal in der Woche in das Sonnenberger Hallenbad. Dann treffen sich um die 25 Senioren, um eine halbe Stunde lang Wassergymnastik zu machen. Es geht um Bewegung und Begegnung, darum, körperlich und geistig fit zu bleiben. „Das ist mir wichtig“, sagt der Senior. Er habe das Sonnenberger Bad lieb gewonnen, und so wie ihm gehe es vielen, versichert der Möhringer. Darum habe er kein Verständnis für die von den Bäderbetrieben angedachten Einschränkungen.

 

Hintergrund ist ein neues Konzept für Öffnungszeiten und Belegung der Stuttgarter Hallenbäder. Dieses war am 31. Januar allen Stuttgarter Bezirksbeiräten in einer gemeinsamen Sitzung vorgestellt worden. Für Sonnenberg ist geplant, das Bad dienstags und freitags komplett für Schulen und Vereine zu reservieren, zudem sollen mittwochnachmittags nur noch Vereinssportler ihre Bahnen ziehen dürfen. In Vaihingen ist vorgesehen, dass das Bad mittwochs und samstags für die Öffentlichkeit geschlossen bleibt. Vorerst hat das Bad aber sowieso zu, weil saniert werden muss. Bei dem Konzept geht es laut den Bäderbetrieben vor allem darum, dass Kinder und Jugendliche dringend besser schwimmen lernen sollen. Dafür brauchen Schulen und Vereine mehr Zeit in den Bädern. Kosten sollen durch das neue Konzept aber auch eingespart werden.

Weite Wege, nur um schwimmen gehen zu können

„Das ging alles Knall auf Fall“, sagt Bruno Nagel. Ihm sei völlig klar, dass ein Hallenbad immer ein Zuschussgeschäft sei. Aber für eine Landeshauptstadt wie Stuttgart könne das kaum ein Argument sein. Nagel hat das Gefühl, dass die Neuerungen nun schnell durchgedrückt werden sollen, bevor der Protest richtig laut werden kann. Doch in Sonnenberg ist der Protest schon laut. Rasch bildet sich eine Menschentraube, und jeder ist bereit, seinen Unmut mit Namen in der Zeitung kundzutun.

„Das können die doch nicht mit uns machen!“, empört sich Elisabeth Halaszy und ergänzt: „Stuttgart ist eine so reiche Stadt. Es gibt Geld genug.“ Immer wieder würden Mediziner betonen, wie wichtig Bewegung für die Gesundheit sei. „Schwimmen ist Prävention und wird gerade für ältere Menschen empfohlen“, sagt Elisabeth Halaszy. Die Stadt könne nicht von ihren Bürgern verlangen, dass diese immer weitere Wege in Kauf nehmen, nur um schwimmen zu gehen – vor dem Hintergrund der Feinstaubdebatte und der Dieselfahrverbote schon gar nicht. Auch Heide Riegel sagt: „Dann soll die Stadt für andere Dinge weniger Geld ausgeben und die Bäder geöffnet lassen.“ Das inzwischen wieder abgebaute Fernrohr in Sillenbuch sei so ein unnützes Ding gewesen, für das die Stadt Geld in den Himmel geschossen habe.

Auch Ingrid Ganser ist empört. „Für uns ältere Menschen ist diese Bewegung so wichtig. Jedes Mal, wenn ich hier war, fühle ich mich hinterher viel fitter. Wir können nicht mehr joggen gehen“, sagt sie und fügt hinzu: „Wir sind so eine tolle Gruppe und haben so eine gute Trainerin. Jede Woche machen mehr als 20 Leute mit. Wir sind doch nicht nur ein paar Hansel.“

Wo sollen die Kinder noch schwimmen lernen?

Doch es sind nicht nur die Senioren, die an diesem Vormittag vor dem Sonnenberger Hallenbad ihrem Ärger Luft machen. Eine junge Mutter kommt extra mit ihrem Kleinkind auf dem Arm aus dem Bad gelaufen, um sich an der Diskussion zu beteiligen. Sie wolle eine Lanze für die Familien brechen, sagt Yvonne Nösner. „Wann soll ich mit meinem Kind schwimmen gehen? Wie soll mein Kind schwimmen lernen, wenn die Bäder dauernd geschlossen haben?“, fragt die Vaihingerin. Immer wieder würden Lehrer und Bademeister Alarm schlagen, weil viele Kinder sich nur schlecht oder gar nicht über Wasser halten könnten. „Und dann bleiben die Bäder zu? Das ist ein Witz mit Anlauf.“ Die junge Mutter lobt den „sensationell guten Baby-Schwimmkurs“ im Hallenbad Sonnenberg und kritisiert die schlechten Freizeitmöglichkeiten in Stuttgart. „Wenn das Hallenbad zubleibt, gibt es fast nichts mehr, wo ich mit meinem Kind am Wochenende hinkann, wenn das Wetter schlecht ist.“

Beschlossen ist freilich noch nichts. In den Bezirksbeiräten ist der Unmut groß. Die Entscheidung fällt der Bäderausschuss in seiner Sitzung am 29. März.