Als Herbie Hancock und Wayne Shorter am Samstagabend die Jazz-Open-Bühne betraten, ernteten sie bereits Standing Ovations zur Begrüßung. Das Konzert war dann unglaublich intensiv, vielleicht sogar historisch - und nur wenige Zuschauer kapitulierten etwas ratlos und wanderten ab.

Stuttgart - Der Showdown begann gegen 21 Uhr bei noch immer hochsommerlichen Temperaturen, flankiert vom nachbarlichen Gewusel auf dem Hamburger Fischmarkt und der üblichen Polizeipräsenz auf der Königsstraße. Gut gelaunt betraten zwei ältere Herren die Bühne, von der Moderatorin als „lebende Legenden“ angekündigt, was immer ein bisschen wie ein Vorwurf klingt. Christian Scott, der mit seiner Band den mittleren Teil des langen Konzertabends bestritt, hatte etwas respektvoller von seiner Vorfreude auf das Konzert „zweier Meister“ gesprochen, bevor er und seine jungen Musiker sich an einer von Hancocks Kompositionen ausprobierten. Es lag also etwas in der Luft, als Herbie Hancock und Wayne Shorter die Bühne betraten, ernteten sie bereits Standing Ovations zur Begrüßung. Als sie sich dann an die Instrumente setzten, trat eine konzentrierte Ruhe im Konzertrund ein, dass man ein paar Schwalben hören konnten, die am Himmel kreuzten.

 

Was war zu erwarten? Das 1997 auf „Verve“ erschienene Duo-Album „1+1“ war ein fast schon privater Mix aus eher entlegenen, älteren Stücken und Improvisationen über Versatzstücke von Songs, die dann zu etwas Neuem geformt wurden. So sollte es auch auf dem Schlossplatz geschehen: wer „lebende Legenden“ sehen wollte, die gemütlich-freundliche Duo-Interpretationen alter Hits wie „Watermelon Man“ oder „Cantaloupe Island“ zum Besten geben, war definitiv am falschen Ort. Wie versprochen, machten Hancock und Shorter dem Publikum ein Angebot. Das Angebot war, dabei zusehen zu dürfen, wie zwei Musiker, die seit den frühen sechziger Jahren in der Champions League des Jazz unterwegs sind, mal gemeinsam im Miles Davis Quintett, mal in unterschiedlichen Formationen dessen Erbe weiterführend, mal elektrisch, mal akustisch, mal erfolgreich, mal weniger erfolgreich, sich auf der Bühne austauschen. „Ohne Netz“, wie Shorters aktuelles Album es so schön auf den Punkt bringt.

75-minütes Zwiegespräch mit Flügel, Synthesizer und Sopransaxofon

Was folgte, war ein 75-minütes Zwiegespräch mit Flügel, Synthesizer und Sopransaxofon. Es war ein achtsames, ausgesprochen intensives Zwiegespräch, das vielleicht nicht immer auf den Punkt kam, das manchmal auch den Faden verlor, abschweifte, das Thema wechselte, eine Anekdote einzuflechten versuchte, Bach anklingen ließ, ins indische Idiom abtauchte, dabei aber dem Gegenüber stets neugierig und aufmerksam zugewandt blieb.