Das deutsche Team spielt im Endspiel der Handball-EM wie entfesselt – und zermürbt in der Defensive die Spanier regelrecht. Torhüter Andreas Wolff ist unbezwingbar.

Krakau - Es wurde immer noch gebrüllt vor Freude, als die deutschen Handballer das Spielfeld der riesigen Tauron Arena verließen. Aber die meisten Profis aus Magdeburg, Hannover, Mannheim, Wetzlar und Gummersbach schüttelten immer wieder den Kopf, als könnten sie das, was da eben passiert war, noch nicht fassen. Deutschland ist Europameister, zum zweiten Mal nach 2004, nach einem spektakulären 24:17-(10:6-)Sieg gegen Spanien, den großen Favoriten. „Wir sind happy. Wir haben einfach in diesem Turnier die richtige Welle erwischt“ sagte Dagur Sigurdsson nach diesem Triumph, der als eine der größten Sensationen in die Geschichte dieser Sportart eingehen wird. „Das war eine unglaubliche Leistung in der Defensive und von den Torhütern.“

 

Die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB), die morgen in Berlin empfangen wird (16.10 Uhr, live in der ARD), hatte die Iberer förmlich kaputt verteidigt, mit einem sagenhaften Andreas Wolff zwischen Pfosten: Der Wetzlarer hielt 48 Prozent der Würfe und bestätigte damit seine Kür zum besten Keeper des Turniers, die zuvor schon bekannt gegeben worden war. „Ich kann das gar nicht glauben“, sagte der Kapitän Carsten Lichtlein. „Das war ein harter Fight, das war eine perfekte Abwehr und ein unglaublicher Torwart. Wir genießen diesen Moment jetzt einfach.“

Die deutsche Mannschaft war von der ersten Sekunde des Spiels an zu einem Abwehrmonster mutiert. Ein Block von Steffen Fäth gegen den riesigen Linkshänder Jorge Maqueda eröffnete die Begegnung. Die deutschen Verteidiger waren schnell auf den Beinen und stellten die Laufwege perfekt zu. Und wenn doch mal ein Ball durchrutschte, dann stand da ja noch Andreas Wolff: Der Torwart aus Wetzlar hielt in den ersten elf Minuten alles, was die Spanier aus dem Feld aufs Gehäuse warfen.

Allein einen Strafwurf von Rivera musste er passieren lassen. Ansonsten war der 24-Jährige nicht zu überwinden. Auch dem Weltklasse-Rechtsaußen Victor Tomas, der im Auftaktspiel alles getroffen hatte, kaufte er zwei Bälle ab – die spanischen Angreifer waren so verzweifelt, dass ihr Trainer Manuel Cadenas schon zu einer frühen Auszeit gezwungen war.

Zu diesem Zeitpunkt führten die deutschen Profis 5:1. Der Kieler Rune Dahmke hatte mit einem Unterarmwurf aus dem Rückraum eröffnet, der unwiderstehliche Kai Häfner, der mit sieben Toren bester Schütze war, erhöhte mit drei Treffern in Folge, Tobias Reichmann per Trickwurf vollendete den perfekten Start.

Eine Defensivschlacht

Als Dahmke durchbrach und einen Ball zum 7:2 (15.) über Sterbik hinwegrollen ließ, führte der Außenseiter erstmals mit fünf Treffern – und hätte in dieser Phase schon höher führen müssen. Doch auch der spanische Keeper Arpad Sterbik erwischte eine starke erste Hälfte und vereitelte zahlreiche Großchancen der Deutschen.

So entwickelte sich eine Defensivschlacht, wie sie der Welthandball lange nicht mehr gesehen hat. Beide Deckungsreihen waren extrem gut auf die Werfer eingestellt, der Respekt der Schützen vor den Keepern wuchs mit jeder Minute. Als der Balinger Martin Strobel mit etwas Glück zum 9:5 (29.) traf, war eine zehnminütige Torflaute endlich beendet. Und als ein abgefälschter Sprungwurf von Julius Kühn Sekunden vor der Pausensirene in die Maschen fand, lag das Momentum wieder bei den Deutschen.

Da war das eigentlich schon entschieden

In Überzahl erhöhte Reichmann auf 11:6 (31.). Und als Wolff seine spektakuläre Form aus dem ersten Abschnitt mit zwei weiteren Glanztaten bestätigte, konnte Hendrik Pekeler die Führung per Tempogegenstoß auf sechs Tore ausbauen (33.). Die aggressive Deckung der Deutschen, in der Pekeler und Finn Lemke Schwerstarbeit leisteten, hielt weiter ihr hohes Niveau, Wolff parierte auf Weltklasselevel und verängstigte die Spanier so sehr, dass zuerst Rivera und dann Joan Canellas Siebenmeter nicht verwerteten.

Da stand es 14:8 (39.). Als Häfner mit einem Doppelschlag auf 16:9 (41.) erhöhte, senkten die ersten Spanier die Köpfe. Der Favorit kämpfte zwar, fand aber kein Mittel gegen diese Defensive. Als Häfner cool zum 18:11 traf (49.) war die Partie eigentlich entschieden. Dahmke machte mit einem Hechtsprung in den Kreis und dem 21:13 (53.) endgültig den Titelgewinn perfekt.