Beim EM-Triumph 2016 wird Linkshänder Kai Häfner vom nachnominierten Nobody zum gefeierten Helden – diesmal hofft der gebürtige Schwäbisch Gmünder, von Beginn an am Ball zu sein.

Sport: Jürgen Frey (jüf)

Stuttgart - Er ist spielintelligent, wurfstark und mutig. Vieles hat sichKai Häfner in seiner Karriere hart erarbeitet. Mit hohem Ehrgeiz und noch mehr Fleiß. Doch eine Gabe ist dem Rückraumspieler der deutschen Handball-Nationalmannschaft in die Wiege gelegt worden: Er übernimmt in kritischen Phasen auf dem Spielfeld Verantwortung, sucht furchlos die Entscheidung und bleibt dabei locker. Diese Leichtigkeit versprüht der Linkshänder auch beim Medientag vor dem Länderspiel an diesem Freitag (18.15 Uhr/ARD) gegen Island in der Porsche-Arena. „Dass wir uns in Stuttgart auf die EM vorbereiten, ist natürlich genial für mich“, sagt er mit einem breiten Grinsen. Der gebürtige Schwäbisch Gmünder genießt sein Heimspiel. Der Mann von der TSV Hannover-Burgdorf konnte den Jahreswechsel in seiner Heimat feiern und hatte die kürzeste Anreise aller Nationalspieler.

 

Es geht um viel in diesem Lehrgang und in den beiden Tests gegen Island (am Sonntag, 14 Uhr, folgt der zweite in Neu-Ulm). Auch für Häfner. Denn eine Garantie auf ein EM-Ticket hat er nicht. Bis zum 12. Januar muss Christian Prokop aus seinem 20er-Kader noch vier Spieler streichen.

Top besetzter rechter Rückraum

Auf Häfners Position im rechten Rückraum ist die Konkurrenz enorm groß: Auch Steffen Weinhold (31/THW Kiel) und Fabian Wiede (23/Füchse Berlin) haben ihre Klasse schon oft bewiesen. Prokop nennt das ein „Luxusproblem“. Wie er es löst? Vielleicht, indem der 39-Jährige auf alle Drei setzt und dafür zunächst nur einen der beiden gelernten Rechtsaußen (Patrick Groetzki oder Tobias Reichmann) mit nach Kroatien nimmt. „Es ist wirklich alles denkbar, es ist noch keine Entscheidung gefallen“, versichert Prokop.

Kai Häfner weiß, wie eng es im Kampf um die Kaderplätze zugeht. Doch seine Lockerheit verliert er deshalb nicht. „Ich bin schon zuversichtlich, dass ich diesmal von Beginn an dabei sein kann“, sagt er – und schiebt mit einem spitzbübischen Lächeln hinterher: „Und wir das gleiche Ergebnis wie 2016 erzielen.“

Häfner spielt auf die EM vor zwei Jahren an. Auf sein persönliches Handballmärchen. Vor dem Turnier hatte ihn der damalige Bundestrainer Dagur Sigurdsson aus dem Kader gestrichen. Häfner saß in seinem Wohnzimmer auf der Couch vor dem Bildschirm, als sich Steffen Weinholdim Spiel gegen Russland mit schmerzverzerrtem Gesicht an den Oberschenkel fasst – Muskelbündelriss. Ein paar Sekunden später kam die SMS. Dann der Anruf von Teammanager Oliver Roggisch. Häfner packt seine Tasche, fliegt von Hannover nach Breslau. Er erzielt im Viertelfinale gegen Dänemark drei Tore, er wirft das entscheidende Tor im Halbfinale gegen Norwegen. Im Finale von Krakau muss Fabian Wiede früh mit Pferdkuss raus, Joker Häfner wird endgültig vom Nobody zum Helden: Zum Triumph gegen Spanien steuert er sieben Treffer bei.

Erfolge mit Hannover geben Rückenwind

Es folgten Ehrungen, Empfänge, Feiern, Interviews. Das alles machte aus dem 1,88 m großen Rückraumspieler keinen anderen Menschen, aber einen äußerst begehrten Profi. Dennoch entschied er sich vergangenen Februar, seinen ursprünglich im Juni 2018 auslaufenden Vertrag in Hannover bis 2020 zu verlängern. Mit seiner Frau Saskia (ebenfalls eine Schwäbin) fühlt er sich in Niedersachsen wohl. Privat und sportlich. Häfner ist mit 99 Treffern hinter Nationalmannschaftskollege Julius Kühn (MT Melsungen) und Petar Nenadic (Füchse Berlin/jetzt KC Veszprem ) aktuell drittbester Feldtorschütze der Bundesliga, sein Club steht überraschend auf Platz drei. „Diese Erfolge mit Hannover und auch die Impulse durch unseren neuen spanischen Trainer Carlos Ortega geben einem schon extremen Rückenwind“, sagt Häfner.

Ob er reicht für ein sicheres EM-Ticket? Prokop lässt durchblicken, dass sich Häfner in der Abwehr noch steigern kann, im Angriff hält der Bundestrainer ihn für einen kompletten Spieler. Häfners Mischung aus Ehrgeiz und Lockerheit könnten der entscheidende Trumpf sein. „Ich mag solche Spielertypen sehr gerne“, sagt Prokop. Mehr war ihm dann aber wirklich nicht zu entlocken.