Menschen, die anderen Zeit schenken, gebührt Dank. Wie der Handballabteilungsleiterin Marcella Thumm.

Plieningen - Weißer Sand, türkisblaues Wasser, dazu Palmen und sanftes Meeresrauschen. Der Strand von Sansibar könnte ein lauschiges Plätzchen sein. Nicht für Marcella Thumm. „Da bin ich auch schon angerufen worden“, sagt die 28-Jährige trocken. Und schiebt einen kleinen Seufzer hinterher.

 

So etwas wie Ruhe, und sei es nur im Urlaub, kennt die Reiseverkehrsassistentin nur vom Hörensagen. Das bringt ihr Ehrenamt mit sich – denn ohne sie läuft es nicht rund. Jedenfalls nicht bei der Handballabteilung des TV Plieningen, die sie seit vier Jahren leitet.

Wobei der Posten der Abteilungsleiterin nur einer von vielen ist, die Marcella Thumm schon im Verein übernommen hat. Zwischenzeitlich war sie zugleich mal Jugendleiterin, und sie trainiert quasi nebenbei mehrere Mannschaften – derzeit sind es die Minis und die weibliche C-Jugend. Immerhin, die Frauen betreut sie inzwischen nicht mehr. Auch als Spielerin ist sie schon eine Weile nicht mehr eingesprungen. Das ist aber auch das Äußerste an Zurückhaltung für eine, die von sich selbst sagt, dass sie kaum weiß, was sie mit ihrer vielen Freizeit anfangen soll, wenn die Handballsaison im März zu Ende ist.

Der letzte Partner war ein Handballer

Wann sie eine weitere Trainingseinheit in ihrer ausgefüllten Woche unterbringen sollte, wüsste Marcella Thumm wohl ohnehin nicht. „Drei bis vier Abende gehen fürs Training und für Sitzungen drauf“, sagt sie. Ganz zu schweigen von den Wochenenden. An einem kompletten Spieltag, wenn acht oder neun der elf Mannschaften in der Abteilung im Einsatz sind und die Zuschauer bewirtet werden wollen, „bin ich von morgens zehn bis abends um elf in der Sporthalle“, erzählt Thumm. Dann übernimmt sie alles, was so anfällt – vom Einkauf beim Bäcker und Metzger, damit die Brötchen geschmiert werden können, bis zum Herumtelefonieren, wenn mal wieder unerwartet ein Schiedsrichter ausfällt.

Manchmal, so lässt sie durchblicken, nervt es, dass sie immer ganz selbstverständlich eingespannt wird. „Wenn ich angerufen werde, weil die Milch leer ist, sage ich dann schon mal sehr deutlich, dass der Edeka 300 Meter weg ist und man dort welche kaufen kann.“ Meistens aber tut sie einfach das, was getan werden muss – und zwar gern. „Ich kriege ja auch viel Hilfe, wenn ich sage, ich brauche fünf Kuchen und 15 Eltern zum Anpacken, dann klappt das. Das ist toll.“

Viel Zeit für andere Dinge bleibt trotzdem nicht. Der letzte Partner an Marcella Thumms Seite war – natürlich – ein Handballer. „Sonst funktioniert das nicht“, sagt sie unumwunden. Und auch den Freiraum für ihr zweitliebstes Hobby nach dem Sport – das Reisen – muss sich die junge Frau mitunter hart erkämpfen. Klar, dass sie ihren Urlaub in die handballfreie Zeit des Jahres legt. Jedenfalls das, was davon übrig ist, wenn sie die freien Tage abzieht, die sie bei Vereinsveranstaltungen verbringt. Dennoch hat das bisher ganz gut geklappt; davon zeugen die Mitbringsel aus aller Welt in Thumms Haus, seien es nun afrikanische Masken oder indische Buddhas. Überhaupt, die Lust am Reisen haben ihr die Eltern mitgegeben. Im Kindergarten war sie in Malaysia; ein Jahr ihrer Schulzeit hat sie in Südafrika verbracht.

Gut möglich, dass Marcella Thumm deshalb Plieningen irgendwann den Rücken kehren wird. „Ich weiß nicht, ob ich in zehn Jahren in Möhringen oder Australien lebe“, sagt sie. Versteht sich von selbst, dass sie dann auch ihren Abteilungsleiterposten abgeben würde. Aber vorerst behält sie ihn noch. Denn bei allem Stress ist ihr das Ehrenamt, das bei ihr inzwischen einen so selbstverständlichen Teil im Leben ausmacht, ans Herz gewachsen. „Erst wenn ich an dem Punkt bin, an dem es keine Herausforderung mehr für mich ist, denke ich über einen Rücktritt nach.“