Die deutsche Handball-Nationalmannschaft hat die letzten Testspiele vor der WM gegen Tschechien 32:24 und 27:22 gewonnen. Das macht Mut, dennoch mischt vor den Titelkämpfen in Katar auch Respekt mit.

Sport: Joachim Klumpp (ump)

Stuttgart - Sieben Spiele, sieben Siege – so kann es weitergehen. Mit dieser Bilanz stünde die deutsche Handball-Nationalmannschaft bei der WM im Halbfinale. Doch die makellose Bilanz des DHB im „Wohnzimmer“ der Stuttgarter Porsche-Arena lässt sich natürlich nicht automatisch auf die am Freitag beginnenden Titelkämpfe in Katar übertragen. Das wissen die Beteiligten. „Das waren nicht die Weltmeisterschaftsspiele, das waren Testspiele. Wir gehen immer noch mit viel Demut in diese WM“, sagte der Bundestrainer Dagur Sigurdsson nach der abschließenden Generalprobe am Samstag in Mannheim, die mit einem weiteren 27:22-Erfolg gegen Tschechien endete.

 

Trotz aller Bescheidenheit macht der neue Coach nach sieben Siegen in acht Partien unter seiner Regie auch Mut. „Ich habe keine Angst vor irgendwas.“ Wenn es mal nicht so rundläuft wie in der ersten Hälfte der ersten Partie gegen die Tschechen (14:16), dann wird in der Kabine die Marschrichtung diskutiert – erfolgreich, wie das 32:24 bewies. Nach der Pause jedenfalls hatte der Gegner keine Chance mehr, weder in der Abwehr noch im Angriff, jenem Bereich, den der deutsche 18-Mann-Kader in der Vorbereitung weniger intensiv trainiert hat – ohne dass dies nun ein Sorgenkind wäre.

Vor allem in dem erst 19-jährigen Paul Drux, der letzte Saison noch A-Jugend spielte, hat Deutschland auch im Rückraum einen Spieler mit Perspektive. So sieht es auch Sigurdsson. „Ich höre immer, wir haben im Rückraum keine Spieler, die aus elf Metern Tore werfen können“, sagt der Isländer, „aber wir verlagern das Spiel auf die Außen und den Kreis. Das sieht vielleicht nicht ganz so bombastisch aus, aber wenn es funktioniert, ist das mehr wert.“ Die Mannschaft wird so unberechenbarer – und in Uwe Gensheimer (links) sowie Patrick Groetzki (rechts) von den Rhein-Neckar Löwen hat sie auf den Außen zwei Weltklasseleute.

Am Freitag heißt der Gegner: Polen

Am Kreis sieht das noch ein wenig anders aus, weil der Kieler Patrick Wiencek zu viele freie Würfe vergibt. Seinem Pendant Hendrik Pekeler fällt vor allem eine Defensivrolle in der zuletzt favorisierten 5:1-Deckung zu, als vorgezogener Spieler, der den Aktionsradius des Gegners stören kann. Als Alternative während Pekelers Verletzung wurde zudem Stefan Kneer getestet, positiv wie Sidurdsson meint. „Es ist wichtig, dass wir zwei Spieler haben, die das System beherrschen.“

Alles gut also? „Die Jungs fühlen sich fit und bereit“, sagte der Trainer, bevor er die Mannschaft in einen letzten zweitägigen Heimaturlaub entließ. Mit dabei ist nicht nur das Gepäck, sondern auch eine gesunde Portion Selbstvertrauen, die sich die Mannschaft in den gemeinsamen Trainingseinheiten seit Weihnachten auf Island und in Stuttgart geholt hat. „Wir fahren mit breiter Brust nach Doha, müssen dort aber noch eine Schippe drauflegen“, sagt der Göppinger Spielmacher Michael Kraus, der nach seiner Oberschenkelverletzung nachnominiert wurde und noch ein paar Rückstände aufzuholen hat. Deshalb ist Balingens Martin Strobel die Nummer eins auf dieser Position. „Wir haben viel probiert und brauchen uns nicht zu verstecken“, sagt er vor dem Abflug am morgigen Dienstag von Frankfurt aus.

Zwei Tage später folgt dann der DHB-Präsident Bernhard Bauer, der in diesen Tagen noch einmal eindringlich daran erinnert, „wo wir im Juni waren“. Weg vom Fenster, nicht bei der WM, in der Qualifikation an Polen gescheitert, ehe eine umstrittene Wildcard den Deutschen noch zum WM-Start verhalf. Am Freitag geht es übrigens wieder gegen Polen. Ein Déjà-vu?

Die meisten Fernsehzuschauer gucken in die Röhre

Die Ziele formuliert Bauer jedenfalls entsprechend vorsichtig. „Ich denke, die Gruppenphase sollten wir überstehen, dann sieht man weiter.“ Danach geht es vom Achtelfinale an gleich in den K.-o.-Modus gegen eine Mannschaft aus der Parallelgruppe C (mit Frankreich, Schweden, Island, Tschechien, Algerien und Ägypten). Egal, wie das Turnier letztendlich ausgeht, einen Wunsch hat Bauer dann doch. „Ich bewerte das Abschneiden nicht so sehr an den Ergebnissen als an den Auftritten der Mannschaft.“

Die sollen sich nach den Enttäuschungen der vergangenen Jahre sehen lassen können. Auch wenn die meisten Fernsehzuschauer in der Heimat davon wenig mitbekommen werden. Nach langen Diskussionen hat sich der Pay-TV-Sender Sky die Rechte gesichert. Ein schwacher Trost, vor allem je weiter das Team kommen sollte.