Die Fellbacherin Kerstin Barth hat sich mit einem Geschäft rund um das Lebensgefühl Hygge selbstständig gemacht. Der Neustart war erschwert mitten in der Pandemie, doch der kleine Laden kommt an.

Rems-Murr: Eva Schäfer (esc)

In dem Laden kann sich keiner verlaufen: Wer eintritt, wird wahrgenommen und freundlich begrüßt. „Hallo, ich grüße euch“, sagt Kerstin Barth zu den beiden Frauen, die an diesem Morgen in das Geschäft in der Fellbacher Bahnhofstraße 79 eintreten. „Geht es euch gut?“, fragt die Inhaberin. Die beiden Kundinnen nicken und sind guter Laune. Es sind Mutter und Tochter, beide aus Luginsland, die an diesem Donnerstagmorgen in dem Hygge-Laden vorbeischauen.

 

Mutter und Tochter aus Luginsland kommen in den Hygge-Laden

Die Mutter, Rita Löffler, sucht einen speziellen Kerzenständer. „Welcher Farbton soll es sein? Welches Material? Zu welcher Einrichtung ist er gedacht?“, fragt Kerstin Barth und zeigt verschiedene Varianten. Rita Löffler wird fündig. „Ich bin selber aus dem Einzelhandel und habe eine Boutique in Stuttgart-Untertürkheim geführt “, erzählt Rita Löffler, „ich schätze die persönliche Beratung und weiß, was das heißt.“ In Luginsland sei leider der Einzelhandel verloren gegangen. „Das ist traurig“, sagt ihre Tochter Claudia Gittel.

„Die Kunden genießen das Persönliche“, sagt Kerstin Barth. Auf einer Fläche von gerade einmal 30 Quadratmetern hat sie sich mitten in der Pandemie vor rund zwei Jahren selbstständig gemacht. „Am ersten Tag meiner Eröffnung durfte sich eine Person auf 30 Quadratmetern Fläche im Laden nach den damaligen Coronaauflagen aufhalten“, erinnert sich Kerstin Barth. Immer wieder änderten sich teils auch sehr kurzfristig die Coronaauflagen für den Handel, es war ein Neustart unter schwierigen Bedingungen.

Und wie geht es inzwischen? Natürlich sei es spürbar, dass die Menschen nun wieder mehr reisen und man nur einmal das Geld ausgeben könne. Doch insgesamt sei der Hyggeladen auf einem guten Weg. „Ich bin zufrieden“, sagt Kerstin Barth. Das Nischenangebot und der Service kommen bei den Kunden an. Vor allem die Personalisierungen bei den Geschenken seien gefragt. „So etwas gibt es nicht oft“, sagt die Kundin Luisa Hiller. Seit drei Jahren wohnt sie in Fellbach , sie ist aus dem Stuttgarter Westen hergezogen. „Ich mag keine Stangenware und finde das hier einfach schön“, sagt sie. Bei ihrer Hochzeit im Juni soll auch ein persönlich gestaltetes Herzchen aus dem Hygge-Laden im Brautstrauß an die Großeltern erinnern.

Service ist das A und O nach Überzeugung der Quereinsteigerin

Kerstin Barth hat bereits in der kurzen Zeit einige Stammkunden gewonnen. „Service ist das A und O“, sagt sie. Die 44-Jährige ist Quereinsteigerin im Einzelhandel. Die gelernte Hotelfachfrau weiß aus ihrer Arbeit in der Gastrobranche, wie wichtig der Servicegedanke ist. Seit vielen Jahren führt sie mit ihrem Partner Alexander Lang das Restaurant Reiterstüble in Stuttgart-Botnang. Die Firma Lang ist ein traditionelles Familienunternehmen mit insgesamt drei Gaststätten und einem Hotel.

Und gemeinsam mit ihrem Partner hat sie auch die Räume des ehemaligen schwäbischen Imbisses, der direkt an den Hygge-Laden grenzt, umgebaut und mit „Tante Emma-Laden-Automaten“ bestückt. Seit kurzem ist geöffnet, rund um die Uhr können hier Snacks, Getränke, Mehl und Co. aus dem Automaten gezogen werden. Ein Automat mit regionalen Produkten soll noch folgen, berichtet Kerstin Barth. Sie hat also weitere berufliche Standbeine, doch die Idee, einen eigenen Hygge-Laden zu betreiben, habe sie schon lange gehabt. Übrigens werden in dem kleinen Geschäft alle Kunden „respektvoll geduzt“, sagt die Inhaberin. Das sei Ausdruck des Hygge-Gefühls.

Vernetzung mit anderen Händlern und Dienstleistern gehört dazu

Für Kerstin Barth gehört es dazu, sich mit anderen Händlern zu vernetzen. Sie ist Mitglied bei der Werbegemeinschaft nördliche Bahnhofstraße und im Stadtmarketing. Keine Frage ist es für sie, beim Fellbacher Maikäferfest am 7. Mai mit verkaufsoffenem Sonntag von 12.30 bis 17.30 Uhr mitzumachen. Dabei ist dann Tanja Klitzner, von der sie in Handarbeit hergestellte Objekte im Laden hat wie etwa Kerzen mit individueller Aufschrift. Auch vom Start-up „Junger Spross“ werden Pflanzbeutel mit Anzuchterde und Samen mit unterschiedlichen Botschaften als Geschenkideen verkauft. Zwei Motive habe sie gemeinsam mit dem Start-up angeregt mit dem Titel „Just married.“

„Ich glaube an den stationären Handel“, sagte Kerstin Barth bei der Eröffnung vor zwei Jahren. Das gelte für sie weiterhin. Aus ihrer Sicht seien ausreichend Parkplätze ein entscheidender Faktor. „Viele meiner Kunden kommen von auswärts“, sagt sie. Wichtig sei zudem ein gutes Konzept. „Man braucht ein Alleinstellungsmerkmal“, sagt sie.

Froh ist sie über die kurzen Wege – sie wohnt mit ihrem Partner nur wenige Meter von dem Geschäft in Fellbach entfernt. Und natürlich braucht es einen Ausgleich. Den bietet unter anderem der 20 Wochen alte Welpe Ami, ein Cavalier King Charles Spaniel. Er fühlt sich im Arm von Kerstin Barth sichtlich wohl.

Weitere Infos unter hygge-online.de.

Was heißt hygge?

Serie
 Corona, Inflation und stotternder Wirtschaft zum Trotz – im Land der Tüftler und Unternehmer wagen nach wie vor Menschen den Weg in die Selbstständigkeit. Ob mit neuen Erfindungen, innovativen Ideen oder auch neu gedachten bewährten Geschäftsmodellen: In unserer Serie „Gut gegründet“ stellen wir Jungunternehmer aus dem Rems-Murr-Kreis vor.

Hygge-Trend
  Es gibt Bücher, Magazine und Ratgeber, die sich mit Hygge beschäftigen. „Hygge“ bedeutet zusammengefasst: „Alles, was dir gut tut und gemütlich ist“. So gibt es beispielsweise in München ein Lokal, das sich Le Hygge nennt und vegane und vegetarische Speisen serviert. In Dänemark ist hygge Teil der nationalen Identität. Der Begriff wird in verschiedensten Lebenslagen verwendet. Es gibt dort sogar einen Wissenschaftler, der zum Thema Hygge forscht und lehrt: Jeppe Trolle Linnet hat dazu verschiedene Beiträge verfasst.