Pandemiegeplagte Einzelhändler und Gastronomen in Heilbronn fordern drei statt der festgelegten zwei verkaufsoffenen Sonntage – zumindest in diesem Jahr. Verdi kündigt Widerstand an.

Heilbronn - Am Sonntag, dem 8. Mai, soll in Heilbronn nach einer Coronapause wieder der traditionelle Trollinger-Marathon stattfinden. Zu diesem Anlass steht der Stadt nun wohl noch ein anderer Marathon ins Haus: Die Stadtinitiative Heilbronn, die die Interessen von Handel, Gewerbe und Gastronomie vertritt, möchte am Tag des Langstreckenlaufs einen dritten verkaufsoffenen Sonntag ausrichten, zusätzlich zu den zwei bereits festgelegten. Die Stadtverwaltung signalisiert Offenheit – doch die Gewerkschaft Verdi übt Kritik.

 

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Ziel der Stadtinitiative ist, den pandemiegeplagten Geschäftstreibenden mit der Aktion zumindest in diesem Jahr zu helfen. Der dritte verkaufsoffene Sonntag muss aus ihrer Sicht nicht zwingend zur Dauerlösung werden. Johannes Nölscher, Stadtinitiative-Vorsitzender und Geschäftsführer eines Schuhhauses in der Innenstadt, sagt: „Wir im Einzelhandel und in der Gastronomie haben schwerste Jahre hinter uns, vor allem die Kleinen stehen mit dem Rücken an der Wand. In diesem Stadium greift man nach jedem Strohhalm.“

Der arbeitsfreie Sonntag als hohes Gut

Genau das sieht man bei Verdi, Bezirk Heilbronn-Neckar-Franken, anders. „Corona ist nicht der Grund, alles aufzuweichen!“ sagt die Bezirksgeschäftsführerin Katharina Kaupp. Die Gewerkschaft beruft sich auf ein bestehendes Übereinkommen zu zwei verkaufsoffenen Sonntagen und weist darauf hin, dass dieses, sofern es zu einem dritten verkaufsoffenen Sonntag kommt, in Gänze aufgekündigt sei und man die gesamte Vereinbarung überprüfen werde. Der arbeitsfreie Sonntag sei ein hohes Gut, ein verkaufsoffener Sonntag müsse „anlassbezogen“ sein. Das Leipziger Bundesverwaltungsgericht hat festgelegt, dass verkaufsoffene Sonntage nur stattfinden dürfen, wenn am jeweiligen Tag Märkte, Messen, örtliche Feste oder ähnliche Veranstaltungen stattfinden, die als Publikumsmagneten mehr Menschen anziehen als die Öffnung der Läden selbst. Diese Voraussetzung sieht Kaupp nicht gegeben. Den Vorwurf einer Klagedrohung will sie so nicht stehen lassen, räumt aber ein, dass es in letzter Konsequenz dazu kommen werde „wenn man bei diesem Thema höchstrichterliche Urteile infrage stellt“.

Nölscher sieht Arbeitnehmerinteressen hingegen auch so gewahrt: Sehr viele Mitarbeiter seien lange in unfreiwilliger Kurzarbeit gewesen, für sie sei die doppelte Entlohnung am verkaufsoffenen Sonntag deshalb sehr wichtig. „Überall hat man Verständnis für uns“, sagt er. Was die Nachbarstädte betrifft: Neckarsulm hatte schon letztes Jahr drei verkaufsoffene Sonntage, Eppingen plant ebenfalls drei.

OB hat Verständnis für Händler

„Dass die Stadtinitiative sich in diesem Jahr drei verkaufsoffene Sonntage wünscht, ist für mich in der derzeit schwierigen Situation für den Einzelhandel sehr gut nachvollziehbar“, sagt Heilbronns Oberbürgermeister Harry Mergel (SPD). „Wir befinden uns derzeit in der rechtlichen Prüfung und der verwaltungsinternen Abstimmung der bestmöglichen Lösung für alle Beteiligten.“ Würde der Gemeinderat dem dritten Sonntag zustimmen, an dem verkauft werden darf – und damit rechnet Nölscher fest –, träte der Fall ein, der für Katharina Kaupp Voraussetzung für eine Klage ist.

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Nico Weinmann (FDP), Stadtrat, Jurist und Vorsitzender des Heilbronner Verkehrsvereins, schlägt vor, den Anlassbezug zeitweise auszusetzen, um dem Einzelhandel zu ermöglichen, „zumindest einen Teil der Umsätze nachzuholen.“ Auf diese Weise, so Weinmann, könnten „lebenswerte Innenstädte, eine funktionierende Einkaufsstruktur und wertvolle Arbeitsplätze“ gerettet werden.