Frankreich wird das Handelsabkommen mit Kanada in Kürze billigen. Das bringt die Groko unter Zugzwang. Das sorgt für Zündstoff.

Berlin - Angesichts der bevorstehenden Annahme des europäisch-kanadischen Handelsabkommens Ceta durch Frankreich wächst der Druck auf die Bundesregierung, die notwendige Ratifizierung in Deutschland ebenfalls in Angriff zu nehmen. Union und SPD dürften keine weitere Zeit mehr verlieren, forderten Vertreter von Koalition, Opposition und Wirtschaft im Gespräch mit unserer Redaktion. Die französische Nationalversammlung wird das umstrittene Abkommen voraussichtlich am Dienstag billigen.

 

Der wirtschaftspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Joachim Pfeiffer, sagte: „Angesichts des zunehmenden Protektionismus und des sich verschärfenden Handelskonflikts weltweit muss die EU zum Vorreiter der liberalen Welthandelsordnung werden.“ Notwendig sei eine „Allianz der Willigen“ für den Freihandel. Ceta müsse auch hierzulande schnellstmöglich ratifiziert werden. FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff sagte, es sei ein Treppenwitz der Geschichte, dass ausgerechnet Frankreich mit seiner eher freihandelskritischen Tradition Ceta noch vor Deutschland billige. „Wenn Frankreich das jetzt ratifiziert, dann muss Deutschland nachziehen.“

Die Koalition fürchtet die öffentliche Meinung

Der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrats, Wolfgang Steiger, beklagte, dass das Potenzial der europäisch-kanadischen Handelsbeziehungen noch nicht voll ausgeschöpft werden könne. Weil die Zustimmung in Deutschland und weiteren europäischen Ländern aussteht, ist Ceta seit Herbst 2017 nur teilweise in Kraft gesetzt. „Die Bundesregierung ist gefragt, hier mehr Tempo zu machen – denn gut die Hälfte aller EU-Staaten hat bereits ratifiziert“, sagte Steiger.

Die Koalition in Berlin ist allerdings zurückhaltend. Vor drei Jahren noch waren hunderttausende Demonstranten gegen Ceta und das – inzwischen gescheiterte – europäisch-amerikanische Freihandelsprojekt TTIP auf die Straßen gegangen. Es wurde befürchtet, dass die Abkommen die europäischen Standards in Umwelt- und Verbraucherschutz untergraben. Zwar bekennen sich Union und SPD grundsätzlich zu Ceta und zum Freihandel. Die Ratifizierung wollen sie jedoch erst einleiten, wenn alle Rechtsstreitigkeiten geklärt sind. Beim Verfassungsgericht sind noch Verfahren anhängig.

Der EuGH hat bereits grünes Licht gegeben

Der Europäische Gerichtshof hatte unlängst den in Ceta vorgesehenen Mechanismus zur Streitschlichtung zwischen Investoren und Staaten für zulässig erklärt. Als Reaktion auf die Abschottung der USA unter Präsident Donald Trump treibt die Europäische Union ihre Handelspolitik vehement voran. Das Abkommen mit Kanada ist ein wichtiger Baustein in dieser Strategie, wenn auch nicht der einzige: Erst Ende Juni hatte die EU Freihandelsverträge mit Vietnam und der lateinamerikanischen Mercosur-Gruppe geschlossen. Seit Anfang Februar gilt ein Abkommen mit Japan. Mit den USA will die EU über den Abbau von Industriezöllen sprechen, was auch für die deutschen Autokonzerne von großer Bedeutung wäre.