Offiziell sind vom 6. bis 26. August Handwerkerferien, doch viele Firmen arbeiten den Sommer durch. Gesetzeswidrig handeln die Betriebe nicht, die Regelung ist keine Pflicht.

Untertürkheim - Von heute an bis 26. August werden viele Handwerksbetriebe in der Landeshauptstadt Betriebsurlaub machen. Darauf weist die Handwerkskammer Stuttgart die Verbraucher hin. Kunden müssten in dieser Zeit damit rechnen, dass Aufträge etwas langsamer bearbeitet werden – oder auf einen Zeitpunkt nach den Handwerkerferien gelegt werden. Für dringende Probleme, etwa im Sanitärbereich, seien Notfallfalldienste eingerichtet.

 

Die traditionell von den Kreishandwerkerschaften in der Region ausgerufenen Handwerkerferien, deren Termin schon im Herbst des Vorjahres festgelegt wird, gibt es schon seit vielen Jahren. Die Empfehlung, die Firma im Sommer für zwei, drei Wochen zu schließen, richtet sich vor allem an Inhaber von kleinen Betrieben. Denn während ihre Angestellten ihren vertraglich festgelegten Jahresurlaub haben, kommt bei ihnen die Freizeit meistens zu kurz. Sie sollen so die Möglichkeit erhalten, selbst einmal Urlaub zu machen – ohne Angst haben zu müssen, dass ihnen Aufträge entgehen. Der festgelegte Termin soll nämlich auch dazu dienen, potenzielle Auftraggeber darüber zu informieren, dass viele Firmen in diesem Zeitraum geschlossen haben, heißt es.

Ein-Mann-Betriebe schließen

Doch Zettel mit der Aufschrift „Wir machen vom 6. bis zum 26. August Betriebsurlaub“ wird man in diesem Sommer eher selten an den Türen der örtlichen Handwerksbetriebe finden. Denn nur die wenigsten Firmen schließen tatsächlich in der Ferienzeit. „Das ist ja auch kein Muss“, räumt Julia Fuchs, die Sprecherin der Handwerkskammer Region Stuttgart, ein. „Es bleibt jedem Betrieb selbst überlassen, seine Urlaubszeiten zu planen.“ Einen Überblick darüber, welcher Betrieb in welchem Stadtteil Ferien macht, habe die Kammer nicht – denn niemand müsse sich dort an- oder abmelden. Geschätzt wird, dass lediglich etwa 20 Prozent der Handwerkerfirmen den offiziellen Termin nutzen. „Meist Ein-Mann-Betriebe oder Firmen mit weniger als fünf Mitarbeitern“, meint Fuchs.

Dass viele Handwerker den Sommer durcharbeiten, hat vor allem betriebswirtschaftliche Gründe. In vielen Branchen, etwa bei Bäckern, Metzgern, Sanitär- und Elektrobetrieben ist der Konkurrenzdruck groß. Für die oft als Familienunternehmen geführten Betriebe kann eine mehrwöchige Schließung nicht nur den Verlust von Einnahmen bedeuten, sondern unter Umständen auch den Verlust von Kunden. In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Betriebe, welche die Handwerkerferien tatsächlich für eine Pause nutzen, immer weiter zurückgegangen, beobachtet Kreishandwerkermeister Alexander Kotz. Heute wird im Sommer eher mit verkleinerter Mannschaft und verkürzten Öffnungszeiten weiter gearbeitet – auch, weil dank der anhaltend guten Wirtschaftslage die Auftragsbücher voll sind. Kotz schließt seinen Betrieb für Haustechnik nicht mehr in den Ferien. Zum einen sei der Aufwand davor und danach zu groß gewesen, zum anderen hätten die Kunden nicht immer Verständnis dafür gezeigt, dass sie auf einen Handwerker länger warten müssen, berichtet er. Die „Dienstleistungsorientierung“ habe aber auch einen Nachteil: „Wir sind eigentlich über zweieinhalb Monate nicht in voller Stärke im Betrieb“, so Kotz.

Während Fritz Sanitärtechnik in Bad Cannstatt die Handwerkerferien tatsächlich für die Erholung nutzt und den Betrieb drei Wochen komplett schließt, bleibt Bauer Sanitär in Wangen geöffnet. „Wir wollen für unsere Kunden immer erreichbar sein“, betont Inhaber Harry Bauer. „Wir gehen abwechselnd in den Urlaub, sodass immer jemand da ist, um eventuelle Notfälle oder dringende Arbeiten zu erledigen.“ Sowohl die Kundendienstabteilung als auch die Umbauabteilung seien in den Ferien personell zwar etwas geringer besetzt – aber im August sei auch weniger los.

Wie bei Elektro-Eifler in Hedelfingen wird auch bei der Cannstatter Firma Karl Sikler (Dachdeckerei, Flaschnerei und Gerüstbau) in den Sommerferien gearbeitet. Gut drei Viertel der rund 60 Mitarbeiter seien nicht im Urlaub, berichtet Geschäftsführerin Charlotte Brucker. Kein Wunder: Die Auslastung sei ähnlich hoch wie in anderen Monaten. Für einen Betrieb in dieser Größenordnung kämen Handwerkerferien nicht infrage, meint Brucker.

Aber auch kleineren Firmen im Baugewerbe ist offenbar keine Pause vergönnt. Sowohl Rehm Bedachungen in Obertürkheim als auch Riba Bedachungen in Wangen arbeiten den Sommer durch. „Ich kenne kaum noch Unternehmen, die Handwerkerferien machen“, sagt Riba-Chef Robert Rinker. Sind sie dann überhaupt noch sinnvoll? Für Kleinbetriebe, die es schwer hätten, eine Vertretung zu organisieren, auf jeden Fall, meint Kreishandwerksmeister Kotz. Nicht nur, weil sie dann guten Gewissens mal Urlaub machen könnten. „Das ist für sie auch ein bisschen Argumentationshilfe gegenüber den Kunden.“ Die Kreishandwerkerschaft werde deshalb weiter an dieser Regelung festhalten, betont Kotz.