Wie aus Rohwolle Garne werden, zeigt Susanne Marx auf dem Esslinger Mittelaltermarkt an der Spindel. Sie gehört zu den vorführenden Handwerkern und vermittelt die Kunst der Wollverarbeitung auf eindrückliche Weise.

Kultur: Kathrin Waldow (kaw)

Esslingen - Konzentriert zieht Susanne Marx aus einem weichen Knäuel Fasern heraus und lässt sie in einen Faden laufen, der über das Spinnrad läuft. Garn zu spinnen ist heutzutage in der Textilindustrie die Aufgabe von Maschinen. Die 50-jährige Esslingerin veranschaulicht auf dem Mittelaltermarkt, wie der Prozess vor der Industrialisierung vonstattenging.

 

Marx beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Wolle und natürlichen Materialien und fertigt Geschirrtücher, Socken, Schals, Mützen oder Stulpen. Ob Stricken, Weben, Filzen, Färben oder Spinnen – die Wollverarbeitung ist ihr Steckenpferd. Als vorführende Akteurin zeigt sie in Holzschuhen und einen wollenen Umhang gekleidet erwachsenen Besuchern und Schulklassen auf dem Mittelaltermarkt, wie aus einem Schafspelz und Rohwolle tragbare Kleidungsstücke werden. „Das war ja nicht alles schlecht, was die Leute früher gemacht haben. In erster Linie erkläre ich viel. Etwa, dass die geschorene Wolle gewaschen, kardiert eventuell gefärbt wird und wie lange der Prozess der Garnherstellung früher, wo alles noch Handarbeit war, gedauert hat“, sagt Marx. Für ein einziges Hemd habe man damals zum Beispiel fast zwei Monate gebraucht. Geschickt wippt sie mit dem Fuß die Pedale hoch und runter und stößt damit das Rad der Spindel an. Gleichzeitig zieht sie mit viel Fingerspitzengefühl den Faden. „Es hat lange gedauert, bis ich das konnte. Wie bei allen Handarbeiten braucht man viel Übung. Manchmal landen die Sachen zwischenzeitlich in der Ecke, bis man sich wieder dransetzen mag“, gibt sie zu.

Am Spinnrad und an der Handspindel läuft die Wolle rund

Marx verspinnt Wolle und Seide, es gebe aber auch Spinner, die mit Hunde- und Katzenhaaren arbeiteten, erzählt sie. Die geschickte Handarbeiterin lässt nicht nur das Spinnrad rundlaufen, sondern auch mal kunstvoll die Handspindel tanzen. „Damit konnten die Leute früher mobil Wolle spinnen. Der Vorteil bei der Handspindel ist, dass das Garn viel reißfester wird, da das Gewicht der Spindel die ganze Zeit dranhängt. Derart gesponnenes Garn war damals sehr gefragt.“

Wenn Marx nicht gerade auf Märkten die Geschichte der Wollgewinnung vorführt und über die Wollverarbeitung informiert, fertigt sie Kleidungsstücke in der Esslinger Fadenwerkstatt an oder arbeitet als Fußpflegerin. Nebenbei erlernt sie gerade in einer berufsbegleitenden Ausbildung das aussterbende Weberhandwerk im Haus der Handweberei in Sindelfingen.

„Gerade heute, wo es ständig um mehr Nachhaltigkeit und den Kampf gegen Mikroplastik geht, finde ich es wichtig, mit natürlichen Materialien zu arbeiten. Wolle hat viele Vorteile gegenüber Plastikkleidung. Ich fände es schön, wenn die Wolle und vor allem auch die Schafhaltung wieder mehr Gewicht im Bewusstsein der Konsumenten bekämen“, sagt Marx.