Längst sind Rapper wie Ice Cube und Dr. Dre Megastars. Der Spielfilm „Straight outta Compton“ erzählt von ihren Anfängen an der Westküste der USA in den Achtzigern – und von der tiefen Kluft zwischen Schwarz und Weiß

Stuttgart - Bitte mal die Kinder aus dem Zimmer bringen, es geht jetzt um Rap. Um Gangsta Rap genauer gesagt, um die brutalste, menschenverachtendste – die Fans würden sagen: ehrlichste, milieutreueste – Variante des Sprechgesangs aus den Gettos. Ein Gründungssong dieser Bewegung hieß denn auch „Gangsta Gangsta“. Die Gruppe N.W.A. (was als Abkürzung für „Niggaz Wit Attitudes“ stand, etwa: „Nigger voller Lust am Rempeln“) landete damit 1988 einen von gleich mehreren Hits auf ihrem Album „Straight outta Compton“.

 

Ice Cube protzte auf „Gangsta Gangsta“ unter anderem: „Seit meiner Jugend hab ich Gras die Menge durchgezogen/ bin jetzt der Mutterficker, den du aus den Nachrichten kennst/ein, zwei Leute umzubringen, das ist verflucht noch mal normal bei mir/ wenn dir nicht passt, wie ich lebe, dann fick dich halt.“

Herrliche wilde Jahre

Einige Herren von N.W.A., die alle aus der im Süden an Los Angeles grenzenden Stadt Compton stammen, sind auch auf Solopfaden sehr erfolgreich geworden. Vor allem Ice Cube und Dr. Dre sind Popkulturheroen und Meister des Marketing. Dr. Dre hat es seit dem Verkauf seiner Kopfhörermarke an Apple gar zum von Business-Profis bestaunten Wirtschaftswunderkind gebracht. Über DJ Yellas Ambitionen, einer der größten Pornofilmproduzenten aller Zeiten zu werden, wird ein bisschen weniger geschrieben.

Aber allesamt haben die N.W.A.-Veteranen wohl nichts dagegen, ihre wilden Jahre von einem Film verherrlichen zu lassen, von „Straight outta Compton“. Als Koproduzenten waren Ice Cube und Dr. Dre sicher, Unangenehmes draußen halten zu können. Das Erstaunliche: obwohl der vom afroamerikanischen Regisseur F. Gary Gray („The Italian Job“, „Be cool“) inszenierte Spielfilm nie dorthin geht, wo es Fans und Rappern weh tun könnte, ist dies ein erstaunlich schwungvolles, sehenswertes, einnehmendes Werk geworden.

In der Bürgerkriegszone

Das liegt natürlich daran, dass Gangsta Rap vom Krieg zwischen einem Unter- und einem Oberschichten-Amerika erzählt, dessen Kampfhandlungen hauptsächlich zwischen einer mörderisch schikanösen Polizei und schwarzen Jugendlichen stattfinden. Und so schaut man „Straight outta Compton“, um ein bisschen besser zu verstehen, was derzeit los ist in Amerika, in der Provinz wie in den großen Städten, wo überall Fronten aufbrechen zwischen einer Polizei, die wie eine Besatzungsmacht wirkt, und schwarzen Bürgern.

Stellt man „Straight outta Compton“ in eine Reihe mit anderen Musiker-Biopics wie „Walk the Line“, Ray“, „Jersey Boys“ oder „Get on up“, kann man ihm bescheinigen, dass er genau so schrille Einblicke ins Musikgeschäft bietet, genau so clever die jeweiligen Beats in Erzählrhythmus übersetzt, aber näher dran ist als selbst die Filme über Ray Charles und James Brown am aktuellen Kampfruf „Black Lives matter!“

Copkiller und nette Jungs

Wir werden hineinversetzt in eine Jugendwelt, der rechtfertigbare Paranoia eingeschrieben ist: Begegnungen mit der Polizei sind stets gefährlich, und Gray lässt die Cops auch auftreten wie die Sturmtruppen des Diktators aus einem dystopischen SF-Film. Ice Cube (O’Shea Jackson Jr.), Dr. Dre (Corey Hawkins), Eazy-E (Jason Mitchell) und ihre Kumpels können mit Worten und Samples umgehen, die Wut einer Generation formulieren.

Wobei der Film da auch auf die Bremse tritt. Er will immer klarmachen, dass wir temperamentvolle, wütende, aber keine bösen Jungs vor uns haben. Den Vorwurf von Mainstream-Amerika an N.W.A., den Hass zu schüren, die Konflikte aufzustacheln, stellt Gray als Missverständnis oder rassistische Polemik dar. Die Copkiller-Rhetorik der Rapper soll nur verbales Spiel sein. Die echte Aggression und Kriminalität werden ganz auf den Labelboss Suge Knight (R. Marcos Taylor) geschoben, der aktuell wieder vor Gericht steht und mit dem Erfolgsmenschen wie Dr. Dre längst gebrochen haben.

Vorsicht vor den Weißen

„Straight outta Compton“ macht es sich da viel zu einfach, hat aber eine Erklärung parat, warum die Compton-Jungs sich mit Knight überhaupt einließen. Die weiße Industrie, vertreten durch den Manager Jerry Heller (Paul Giamatti), hat die viel schlimmere Ausbeutung der Rapper im Sinn. Das merken alle bis auf Eazy-E, der Heller die Treue hält und böse ausgenommen wird.

Sexismus, Homophobie, Gewaltanwendung ohne Folgen – diese Themen bleiben ausgeblendet, die Frauen etwa bloße nackte Partydekoration. Aber man versteht eben schnell ganz gut, warum die wuchtigen Beats und das protzige Niederquatschen aller anderen die Kids aus den Ghettos elektrisierten, ihnen Stolz gaben. Dass Gangsta Rap dann zum großen Geschäft wurde, weil die Kinder der weißen Mittelschicht Musik und Mode cool fanden – das ist noch einmal eine ganz andere Geschichte.

Straight outta Compton. USA 2015. Regie: F. Gary Gray. Mit O’Shea Jackson Jr., Corey Hawkins, Paul Giamatti. 147 Minuten. Ab 12 Jahren.