Berthold Reichle, Leiter des Haus des Waldes, hat eine Einrichtung in der Volksrepublik geplant.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Stuttgart-Degerloch - Die Chinesen waren begeistert. Zwei Jahre ist es her, dass die Delegation zum ersten Mal in Degerloch war, um sich das Haus des Waldes anzuschauen. Im April 2013 eröffnen sie in der Stadt Tianshui ein Zentrum, für das die waldpädagogische Einrichtung unterm Fernsehturm das Vorbild war. Das Haus der Chinesen wird allerdings dreimal so groß sein wie das der Degerlocher. „Es ist ein gewisser Stolz dabei, wenn sie uns jetzt überflügeln“, sagt Berthold Reichle und lächelt.

 

Der 46-Jährige leitet seit 2001 das Haus des Waldes, und er war während der vergangenen zwei Jahre maßgeblich daran beteiligt, dass die Bewohner von Tianshui schon bald einen Ort haben, an dem sie Wissenswertes über Bäume, Tiere und die Umwelt lernen. Zusammen mit Beate Kohler, einer Kollegin aus Freiburg, und den Partnern in China hat sich Reichle einen Erlebnispfad und ein Konzept für das Haus ausgedacht. Dafür war er insgesamt viermal in der Stadt im Nordwesten der Volksrepublik. Reisen, die ihm streng genommen der Zufall beschert hat.

Im Mai 2010 ist Reichle zur ersten Mission nach China gereist

Der Förster Reichle erinnert sich noch gut an den Tag, an dem die Chinesen zum ersten Mal da waren. Damals wusste er allerdings noch nicht, was die Fremden im Sinn hatten. Sie waren mit einem deutschen Berater nach Degerloch gekommen; sie haben sich damals mehrere waldpädagogische Einrichtungen angeguckt, um sich Ideen für ein eigenes Zentrum zu holen. Zum Abschied hatte Reichle den Chinesen hinterher gerufen, sie dürften sich bei Fragen gern melden. Ein paar Tage danach kam eine E-Mail mit etlichen Fragen. „Die konnte ich gar nicht beantworten, weil ich die Verhältnisse vor Ort ja nicht kannte“, berichtet Reichle. Diese Anmerkung war seine Eintrittskarte ins Geschehen. Im Mai 2010 ist er mit Beate Kohler zur ersten Mission nach China gereist.

Dass die chinesische Stadt von Frühling an eine waldpädagogische Einrichtung haben wird, ist eine Art Sahnehäubchen auf einem Projekt deutsch-chinesischer Entwicklungszusammenarbeit. Seit 2004 werden in der Gegend um Tianshui in der Provinz Gansu mehr als 35 000 Hektar aufgeforstet. Der Bund fördert diese Maßnahme mit 7,67 Millionen Euro; die Chinesen steuern umgerechnet etwa 5,5 Millionen Euro bei. Das Projekt endet nächstes Jahr. Und weil noch Geld übrig war, ist eine sinnvolle Verwendung dafür gesucht worden: So kam es schließlich zum Bau des Zentrums.

„Mit dem wachsenden Wald muss man auch das Bewusstsein der Bevölkerung stärken“, sagt Berthold Reichle. Denn es helfe nichts, wenn die Menschen den Wald nicht zu schätzen wissen. Wenn sie nicht verstehen, warum all die Bäume gepflanzt worden sind. „Es muss bei den Menschen verankert sein, das ist letztlich ein Erfolgsfaktor.“ Schließlich gebe es einen Grund, dass bei Tianshui aufgeforstet worden ist. Hauptsächlich soll der Wald die Bodenerosionen durch Wind und Wasser verhindern.

Vertreter anderer chinesischer Provinzen sind neugierig

Berthold Reichle ist damals mit Vorurteilen im Gepäck zu seiner ersten Chinareise aufgebrochen. Im Gespräch mit Schülern, Lehrern und Förstern war er umso erstaunter, „wie gut die Leute in Tianshui über den Wald Bescheid wissen und wie wichtig er für ihr Leben ist“, sagt Reichle. „Der Klimawandel ist dort durchaus ein Thema.“

Als die chinesische Delegation 2010 Degerloch besuchte, war es die damals neue Dauerausstellung namens „Stadt, Wald, Welt“, die die Besucher aus Asien in ihren Bann gezogen hat. Die Schau will zeigen, dass alles mit allem zusammenhängt und dass Wald mehr als ein Haufen Holz ist. Sie handelt unter anderem von Wasser, dem Klima, von Konsum, dem Umweltschutz und den globalen Auswirkungen. „Die Themen gehen alle an“, sagt Reichle.

Diese Gedanken werden die Chinesen in ihrem Haus fortpflanzen. Und wahrscheinlich nicht nur dort. Denn Vertreter anderer chinesischer Provinzen sind bereits neugierig geworden. Wenn die Einrichtung im April 2013 eröffnet, wird dort gleichzeitig zu einer nationalen Tagung geladen. Mit dabei: Berthold Reichle aus Degerloch.