Die Stadt darbt, um für schlechte Zeiten gewappnet zu sein. Zu viel Vorsorge kann auch schaden, meint StZ-Autor Jörg Nauke.

Stuttgart - Die Stadt Stuttgart kam in jüngster Zeit in der Öffentlichkeit nicht besonders gut weg: Wohnungsnot, Feinstaubalarm und Dauerstau scheinen geeignet, Bürgern den Eindruck zu vermitteln, die Metropole sei ein Unort geworden. Wahr ist aber auch das Gegenteil. Nach dem jüngsten Kassensturz kann die Rathausspitze weiterhin behaupten, Stuttgart sei, wenn schon nicht die gesündeste, so doch einer der reichsten Orte Deutschlands und dank unbändiger Investitionskraft in der Lage, ihre Probleme mit Geld zu lösen.

 

Rathausspitze gehen die Ideen aus

Nun sind neben den bereits erheblichen Leistungen für den Rückkauf der Wasserversorgung oder für Bildung und Erziehung weitere Aufgaben wie die Opernsanierung, eine ÖPNV-Offensive und die Krisenintervention beim Klinikum nicht nur angedacht, sondern mit dem Gewinn von 2016 weitgehend finanziert. Der Umstand, dass OB Fritz Kuhn und sein Kassenwart Michael Föll dann noch 30 Millionen Euro übrig hatten, um sie in LBBW-Manier dem Eigenbetrieb Stadtentwässerung zu leihen, steht dafür, dass am Ende wegen allzu großen Reichtums die Kraft für kreativere Investitionsideen gefehlt haben mag.

Dennoch ist nicht alles gut.

Die Verwaltung steht zwar richtigerweise auf dem Standpunkt, mit Augenmaß zu wirtschaften, weil auf gute Zeiten eben schlechte folgen – auch wenn auf Sicht bis 2020 niedrige Zinsen, solides Wirtschaftswachstum und steigende Steuereinnahmen vorhergesagt sind. Risiken beim Transformationsprozess der Automobilindustrie sind zwar nicht auszuschließen, man kann es aber auch in Zeiten der Dieselaffäre mit dem Tiefstapeln übertreiben. Eine Kommune ist für die Daseinsvorsorge in der Gegenwart da. Einnahmenoptimierung ist kein Selbstzweck – zumal das Kapital auf dem Sparbuch kaum Zinsen abwirft.

Stadt muss Daseinsvorsorge betreiben

Stadträte und Mitbürger monieren zu Recht, dass übers Jahr überall an Serviceleistungen gespart, an Gebührenschrauben gedreht und vor allem das Personal und die städtische Infrastruktur auf Verschleiß gefahren werden. Es geht nicht darum, ohne Sinn und Verstand die laufenden Kosten in die Höhe zu treiben, es sollte aber auch nicht das Ziel sein, Leistungen im täglichen Betrieb einzudampfen, um die Investitionskraft ins Unermessliche zu steigern. Die Katze hat sich bereits in den Schwanz gebissen: Schon heute können die Mittel für Schulen und Kitas auch deshalb nur mit starkem Verzug verbaut werden, weil es an Stellen für Planer und an Erzieherinnen mangelt. Verwaltung und Gemeinderat müssen die richtige Balance finden.