Gerlingen schreibt rote Zahlen und muss dringend sparen. Wo und wie genau dies passieren soll, ist aus den aktuellen Haushaltsreden jedoch kaum herauszuhören – im Gegenteil.

Es ist noch nicht allzu lange her, als die Kommunalpolitik in Gerlingen das Wort vom „Gerlinger Standard“ im Mund führte. Diskret und zugleich ein wenig breitbeinig war damit umschrieben, dass man in der Strohgäu-Kommune gewohnt ist, sich etwas leisten zu können.

 

Die Zeiten sind definitiv vorbei und damit auch der selbstbewusste Tonfall: Vor allem angesichts weiter rückläufiger Gewerbesteuereinnahmen prognostiziert die Gerlinger Stadtverwaltung für das laufende Jahr ein Haushaltsdefizit von rund 3,5 Millionen Euro. Es ist das dritte Minus in Folge. 2024 könnte das einst so dicke Finanzpolster der Kommune fast aufgebraucht sein.

40 Millionen Euro Schulden könnten es bis 2026 sein

Statt vom Gerlinger Standard ist jetzt im Rathaus von den Gerlinger Schulden die Rede, die der Kommune in den nächsten Jahren drohen: 40 Millionen könnten es bis 2026 sein, warnt CDU-Fraktionsmitglied Thomas Fauser am Mittwoch anlässlich der Verabschiedung des defizitären Haushaltsplans 2023. Das sei weder verantwortlich noch nachhaltig, so der Stadtrat in seiner Haushaltsrede. Künftiges Ziel müsse „die schwarze Null sowie ein maximales Investitionsvolumen von zehn Millionen Euro im Jahr“ sein. 2023 stehen noch einmal Investitionsausgaben von elf Millionen Euro im Programm der Stadt.

Die Christdemokraten riefen angesichts von Krieg, Energiekrise und Rezession am Mittwoch im Gemeinderat am nachdrücklichsten zum Sparen auf. Beispiel Schulmensa: Die Planungen der Stadt sehen bei diesem Projekt eine Kostendeckelung von 4,25 Millionen Euro vor. Dass gleichwohl im Gemeinderat hier weiterhin Forderungen nach „Premium-Ausstattungen“, so Fauser, geäußert werden, kritisierte der Stadtrat scharf. Die Botschaft sei noch nicht bei allen Gremiumsmitgliedern angekommen, sagte Fauser. Für die CDU ist auf diesem Hintergrund selbst das Gerlinger Schwimmbad nicht mehr tabu. Auch hier seien die Betriebskosten zu hoch.

Warnungen, beim Sparen nicht zu weit zu gehen

Die Notwendigkeit zur Haushaltskonsolidierung war am Mittwoch fraktionsübergreifend Konsens. Es stehen „schmerzhafte Gespräche darüber bevor, welche Standards reduziert werden müssen“, betonten etwa die Jungen Gerlinger. Doch wenn es um konkrete Vorschläge geht, wo der Rotstift tatsächlich angesetzt werden kann, waren die Vorschläge bemerkenswert rar gestreut. Martin Maisch von den Freien Wählern etwa sieht Sparpotenziale beim 2,36 Millionen Euro teuren Hochwasserschutz an der Gerlinger Ringstraße. Auffallend ist: Die Angst vor drohenden Einschnitten scheint bei nicht wenigen Fraktionen im Gerlinger Gemeinderat deutlich ausgeprägter zu sein als die vor einem künftigen Schuldenberg. Warnungen, beim Sparen, nicht zu weit zu gehen, waren nicht zu überhören.

So unterstreicht zum Beispiel Annette Höhn-Thye (FDP), dass trotz der Zwänge die Verwaltung als Arbeitsplatz attraktiv bleiben müsse. Potenzial Mittel einzusparen, sieht Höhn-Thye im weiteren Ausbau „effizienter Energiekonzepte“. Der freilich wiederum zunächst Geld kosten würde.

Für Barbara Günther könnte zwar die künftige Schulmensa etwas günstiger ausfallen. Aber auch die SPD-Stadträtin mahnte trotz des Spardiktats nachdrücklich eine Verbesserung des Radwegenetzes an oder betonte die Herausforderungen, die der Betreuungsbedarf von Flüchtlingskindern in Kitas und Schulen haben werde. Wie keine andere Fraktionen machten die Grünen im Gemeinderat deutlich, dass ihrer Ansicht nach ohnehin die größte Gefahr einer angespannten Haushaltslage darin liegt, an der falschen Stelle zu sparen: „Ausgangspunkt aller Denkprozesse sollen die bestmöglichen Ziele sein und nicht eine planerische Geldsumme“, warnte Stadtrat Rolf Schneider.

Die Grünen machten deutlich klar, dass mit ihnen am Natur- und Klimaschutz, an der Förderung der Kinder oder der Pflege der Städtepartnerschaften keine Abstriche zu machen seien. Auch die Schulmensa dürfe nicht zu klein ausfallen. Wo stattdessen gespart werden soll, ließ die Fraktion weitgehend offen.