Der Bundesfinanzminister Olaf Scholz stellt in Berlin die Eckpunkte seiner Haushaltsplanung für die nächsten Jahre vor – und erntet dafür von vielen Seiten Kritik.

Berlin - Nach zehn Minuten bekommen die Fotografen endlich etwas zu tun. Bis dahin hat Olaf Scholz ziemlich regungslos seinen Text heruntergespult und von gestaltender Finanzpolitik, Verlässlichkeit und dem Zusammenhalt der Gesellschaft geredet. Ein bisschen erinnerte das an früher, als man ihn in Berlin wegen seiner technokratisch anmutenden Unaufgeregtheit noch den „Scholzomat“ nannte. An diesem Tag braucht Scholz zehn Minuten, um in Fahrt zu kommen. Man erkennt das daran, dass er dann erstmals die Hände zum Gestikulieren benutzt. Die Fotografen halten sofort drauf.

 

Mittwochmittag in Berlin: Das Bundeskabinett hat sich gerade erstmals mit der Haushaltsplanung des Bundesfinanzministers für das kommende und die darauffolgenden Jahre befasst. Kurz darauf präsentiert Minister Scholz sein Zahlenwerk. Bis dahin waren die Details nur auf offiziösem Wege in die Öffentlichkeit gelangt. Rund 363 Milliarden Euro will der Bund im kommenden Jahr ausgeben, ein Plus gegenüber 2019 von 1,7 Prozent. Bis 2023 soll der Haushalt dann schrittweise auf 375 Milliarden Euro anwachsen.

In Zukunft muss Verzicht geübt werden

Die Wirtschaft läuft nicht mehr so rund. Und Scholz will die Bürger und seine Ministerkollegen an den Gedanken gewöhnen, dass man verstärkt Prioritäten setzen und hier und da auch Verzicht üben müsse. Das ist für viele eine neue Erfahrung nach Jahren des Booms und sprudelnder Steuereinnahmen. „Die fetten Jahre sind vorbei“, hat Scholz bereits vor wenigen Wochen gesagt. Am Mittwoch sagt er, es sei immer noch recht viel Geld da. Aber eben nicht für alles. „Derzeit befinden wir uns in einer Situation, die ich als Normalfall der Finanzpolitik bezeichnen würde.“

Auf dem Podium sitzt ein Minister, der sich seiner Sache ziemlich sicher und um keine Antwort verlegen ist. In den vergangenen Tagen hat Scholz für seine Eckpunkte bereits viel Kritik einstecken müssen. Der US-Botschafter in Deutschland meldete sich zu Wort und geißelte den Umstand, dass die Verteidigungsausgaben weniger stark steigen sollen als im Nato-Rahmen zugesagt. Die Bundesländer kritisieren, dass Scholz weniger für Flüchtlinge ausgeben will. Die Wirtschaft will mehr Geld für Forschung und am liebsten eine richtige Steuerreform, mindestens aber die Abschaffung des Soli für alle und nicht nur für 90 Prozent der Steuerpflichtigen. Die Opposition und Teile der Koalition bemängeln, dass die schwarze Null nur mit großen Verrenkungen gehalten werden kann. So richtig zufrieden scheint kaum einer.

Scholz lässt Kritik an sich abperlen

Außer Scholz natürlich, der die ganze Kritik am Mittwoch elegant an sich abperlen lässt. Der 60-Jährige ähnelt in dieser Hinsicht seinem Vorgänger Wolfgang Schäuble, der in hitzigen Situationen ebenfalls stoisch sein kann. Gemessen am Lärm, der in den vergangenen Tagen geschlagen wurde, ist Scholz‘ Zahlenwerk am Mittwoch auch ziemlich glatt durchs Kabinett gekommen. Nur Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) stellte sich etwas quer. In einer Protokollnotiz ließ er festhalten, dass er nicht damit einverstanden ist, seinen Etat für 2020 auf dem Niveau von 2019 zu belassen.

Am Mittwoch redete Scholz vom sozialen Zusammenhalt im Land, von der Förderung des sozialen Wohnungsbaus, von der Gestaltung des Strukturwandels in den Braunkohle-Revieren und von Investitionen auf Rekordniveau. Er stellte sich erneut hinter das SPD-Projekt einer Grundrente für Geringverdiener. In seinem Vortrag ist auch das Wort „verlässlich“ zu hören und Sätze wie „Die Regierung setzt um, was sie versprochen hat“. Die Staatsgeschäfte und das Geld der Bürger sind bei mir in guten Händen, soll das wohl heißen. Das ist eine wichtige Botschaft von einem, der den schlechten Umfragewerten seiner Partei zum Trotz nicht den Eindruck macht, als gebe er sich auf Dauer mit dem Job des Finanzministers und Vizekanzlers zufrieden.