Hazel Brugger ist die witzigste deutschsprachige Humoristin. Bevor sie auf Tour geht, testet sie neue Witze gern in der Stuttgarter Rosenau aus – auch jetzt wieder bei „Tropical“.

Stuttgart - Über das neue Programm werde sie im Rahmen der Vorpremieren nicht sprechen, sagt ihre Agentur. Das überrascht, denn Interviewabsagen sind in der Kleinkunstszene nicht üblich. Im Gegenteil: Viele Agenten überschlagen sich bei den Ankündigungen ihrer Schützlinge, sie füllen das E-Mail-Fach des Redakteurs und setzen alles daran, die Damen und Herren irgendwie in die Zeitung zu bekommen. Womöglich ist aber das, was Hazel Brugger macht, auch einfach keine Kleinkunst mehr.

 

Über die Schweizerin selbst darf man mit ihr im Anschluss an die Show aber doch sprechen. Wer am Donnerstag die Stuttgarter Rosenau besucht hat, zählte zu den ersten, die das vorläufige Material von Hazel Bruggers neuem Programm „Tropical“ zu sehen bekamen. Der Abend ist ausverkauft, man will schließlich dabei sein, wenn die vielleicht witzigste deutschsprachige Humoristin Einblicke in ihr Schaffen erlaubt. Aber warum hier? „Ich mag die Rosenau. Und sein Publikum. Es ist cool. Man ist hier nicht zu hysterisch, aber man lacht schon mal.“ Auf der Bühne warnt sie zu Beginn: „Es kann möglicherweise stellenweise total kacke werden.“ Wer Hazel Brugger kennt, hält das für unwahrscheinlich.

Hetero, homo, schwarz und weiß

Charmant wie eh und je stellt sie sich den Gästen vor: „Ich bin vor drei Wochen 25 geworden – ich weiß, für Sie alle ist das kein Alter.“ Das Publikum scheint jedoch repräsentativ zu sein für ihre Auftritte, sie beschreibt es generell als „sehr durchmischt, alles von 18 bis 60, hetero, homo, schwarz und weiß“.

Dabei muss sie sich ihrem Publikum eigentlich nicht mehr vorstellen. Mittlerweile kennt sie fast jeder, nach Auftritten bei Dutzenden von Poetry Slams, in der öffentlich-rechtlichen „Heute-Show“ und einer selbstproduzierten Wohnzimmersendung im Internet. Sie selbst schätzt ihre Prominenz indes nicht allzu hoch ein: „Ich bin ungefähr so berühmt wie ich gut aussehe – es ist noch Luft nach oben.“

Vom Poetry Slam hat sie sich längst emanzipiert: „Das war eine Zeit in meinem Leben, die cool war – das hat aber nichts mehr mit dem zu tun, was ich jetzt mache. Ich könnte Poetry Slam auch nicht mehr, ich würde da abkacken.“ Auch ihr Bühnen-Ich hat sich verändert. Anfangs noch für ihre schwarzhumorigen, meist mit hängenden Mundwinkeln vorgelesenen Texte gefeiert, hat sich Hazel Brugger zu einer Stand-Up-Comedian entwickelt, die auch herumalbert und über den Unterschied zwischen deutschen und schweizerischen Autobahnen so selbstverständlich spricht wie über Gynäkologentermine und den Papst: „Ich glaube nicht, dass der auf mich steht – ich bin 20 Jahre zu alt und eine Frau.“ Ihr Humor blieb von der Popularität glücklicherweise unberührt.

Auf Erfolg, den andere in ihrem Alter sonst nur mit Idiotencomedy und Witzen über Minderheiten haben, blickt die Wahlkölnerin jedoch mit etwas anderen Augen. Sie lebe zu 50% Prozent in Köln und zu 50% Prozent in Zürich, aber falls das Finanzamt frage, dann zu 60% in Zürich. „Dass es mit dem Erfolg so schnell geht, hatte ich nicht erwartet“, erzählt sie hinter der Bühne, „aber ich weiß eben auch, wieviel ich arbeite. Und dass aus dieser Arbeit oft nichts wird. Das Publikum sieht immer nur das, was geklappt hat. Ich sehe alles. Deshalb empfinde ich das nicht als Megaerfolg. Ich hab‘ das Gefühl, noch nicht einmal fünf Prozent meiner Ziele erreicht zu haben.“ Sollte das stimmen, muss man davon ausgehen, dass Hazel Brugger die Weltherrschaft anstrebt.

Wo ist die deutsche Comedy-Kultur?

Aber welche Ziele hat sie? Der deutsche Comedypreis, der deutsche Kleinkunstpreis, der Salzburger Stier und der Swiss Comedy Award kann es nicht mehr sein. Diese Auszeichnungen hat sie schon alle in der Tasche. „Ich würde gern mal einen Spielfilm drehen“, sagt sie, „und dann habe ich noch ein Ziel: Ich würde in Deutschland gerne so etwas wie eine Stand-Up-Kultur etablieren.“ Wie beinahe alle ihrer deutschen Kolleginnen und Kollegen schielt die im kalifornischen San Diego als Tochter einer deutschen Lehrerin und eines Neuropsychologen aus der Schweiz geborene Komikerin immer auch ein wenig auf die US-amerikanische Szene: „In New York gibt es Hunderte von Comedy-Clubs, in die man einfach reingeht, um Comedy zu sehen. Das gibt es in Deutschland nicht.“ Aber Kabarett- und Comedybühnen gibt’s hierzulande doch auch? Brugger: „Man ist ja keine Fußballnation, nur weil man einen Fußballplatz hat.“

Nicht nur die Bühnenkultur, auch den Bewegtbildbereich bringt Brugger nach vorne. Ihre originellen Online-Experimente erklärt sie so: „Ich wollte Fernsehen machen, aber ohne die Leute, die beim Fernsehen arbeiten.“ Seit vergangenem Sonntag erscheint jede Woche eine Folge ihrer neuen Dokureihe „Deutschland, was geht?“. Gemeinsam mit dem Autor Thomas Spitzer bereist sie sehenswerte Orte der Bundesrepublik: „Wir waren in einem Kissengeschäft, das aber eigentlich eine Metzgerei ist – die Kissen erinnern an Schinken oder Würste oder so. Schon ziemlich cool, finde ich.“ Und falls Sie das auch cool finden: In der nächsten Folge besucht Hazel Brugger die Brieftauben-Expo.

Termin: Hazel Brugger tritt mit „Tropical“ am heutigen Freitag noch einmal in der Stuttgarter Rosenau auf.

Die Veranstaltung ist allerdings ausverkauft.