Anfang Oktober hat für die rund 60 000 Studierenden in Stuttgart das Wintersemester begonnen. Es ist das erste seit Corona, welches wieder in Präsenz stattfinden darf. Wie gestaltet sich das Studentenleben nach den Lockdowns?

Vaihingen - Wenn man sich für ein Studium entscheidet, beginnt mit der Immatrikulation ein neuer Lebensabschnitt. Man verlässt den sicheren Hafen des Elternhauses, zieht eventuell in eine neue Stadt und damit auch in die erste eigene Wohnung. Alles ist neu, aufregend und man ist auf sich alleine gestellt. In den letzten 18 Monaten verhinderte aber das bekannte Virus unter anderem, dass sich die Lernwilligen in den Vorlesungssälen versammeln und abseits der Universität treffen konnten. Die eigenen vier Wände dienten als Unterrichtsraum, die Küche wurde zur Mensa und der Computer als Schnittstelle zur Außenwelt genutzt. Nun füllen die etwa 5000 Studierenden der Hochschule der Medien (HdM) den Campus in Stuttgart-Vaihingen wieder mit Leben. Obwohl hier im Inneren überall die 3-G-Regel und Maskenpflicht herrschen, die von engagierten Security-Firmen überwacht werden, kann man das Lächeln der Studierenden unter dem blauen Stoff förmlich spüren. Aber sie sind nicht die einzigen, die sich freuen.

 

Viele Studierende fühlen sich wie Erstsemester

Was ist denn bitte die Lernwelt? Obwohl Micha Markl bereits im vierten Semester Werbung und Marktkommunikation an der Hochschule der Medien (HdM) studiert, hat er erst vor vier Wochen das erste Mal einen Fuß auf den Campus der Bildungsstätte gesetzt, an der er sich vor knapp zwei Jahren eingeschrieben hat. Die Hochschule ist für ihn und viele andere, die sich in der gleichen Situation wie er befinden, absolutes Neuland – dementsprechend groß ist seine Orientierungslosigkeit.

„Ich fühle mich wie ein Erstsemester“, sagt er, als er den abgemachten Treffpunkt endlich findet. Doch das, was die liebevoll genannten Erstis in den ersten Tagen und Wochen ihres neu gewonnenen Studentenlebens erfahren dürfen, blieb ihm aufgrund der Coronapandemie verwehrt. Normalerweise führen Studierende aus den höheren Semestern über den Campus, geben Tipps und Tricks für das Studium mit auf den Weg und zeigen den Jung-Studenten bei einer obligatorischen Kneipentour, in welchen Bars man sich als angehender Akademiker trifft.

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„Klar will ich hier meinen Bachelor machen“, sagt Micha. „Aber ich will auch das Studentenleben in seinen vollen Zügen genießen.“ Dazu gehöre eben auch, dass man auf Partys gehe und neue Leute kennenlerne. Stattdessen kam für ihn eine Woche vor Studienbeginn die Ernüchterung – per E-Mail. „Die Aussicht auf Präsenzunterricht wurde seitens der Hochschule dann immer wieder aufgeschoben“, erzählt Micha. „Da hat sich dann nach geraumer Zeit auch einfach Frustration breit gemacht, und ich habe mit dem Gedanken gespielt, ob es das noch wert ist.“

Vorwürfe möchte er aber keinem machen. „Wir haben uns alle in einer absoluten Ausnahmesituation befunden.“ Er freue sich nun umso mehr, diejenigen persönlich kennenzulernen, die er nur vom Online-Unterricht kenne. Micha Markls Blick huscht auf die Uhr an seinem Handgelenk. Er muss weiter, der nächste Kurs beginnt bald. Ob er den Vorlesungssaal finden wird? „Ich suche mittlerweile lieber die Räume als irgendwelche Links zu den Online-Vorlesungen“, sagt er und grinst beim Hinausgehen.

Kostenlose Corona-Tests für Studierende

Während die Corona-Testzentren deutschlandweit allmählich von der Bildfläche verschwinden, hat vor Semesterbeginn eines die Zelte am Haupteingang der Hochschule der Medien (HdM) aufgeschlagen und den Betrieb wieder aufgenommen. Diana Kebrow von der Sicherheitsfirma Wert- und Personenschutz aus Stuttgart testet hier ungeimpfte Studierende. Und sie verifiziert diejenigen, die genesen sind oder bereits einen vollständigen Impfschutz haben. Mit dem von Diana Kebrow hinterlegten Vermerk in dem Studierendenausweis kann man sich dann auf dem Campus frei bewegen. „Manche bringen sogar selbst einen tagesaktuellen Test mit“, erzählt die 41-Jährige. Dadurch würde man der Hochschule helfen, Kosten einzusparen. Denn laut Diana Kebrow seien die angebotenen Tests kostenfrei. „Das finde ich toll, wie solidarisch hier miteinander umgegangen wird.“

Für Diana Kebrow ist diese Arbeit übrigens auch eine Herzensangelegenheit, denn „wir wollen es den Studierenden so einfach wie möglich machen und dazu beitragen, dass der Präsenzunterricht nun wieder uneingeschränkt stattfinden kann“. Wie viele Ausweise genau sie schon verifiziert hat, weiß sie nicht, aber „wir bleiben hier so lange, wie es nötig ist“.

In der Mensa stimmt das Preis-Geschmacks-Verhältnis

Dass das Studierendenwerk, das die Mensa am Pfaffenwaldring in Stuttgart-Vaihingen betreibt, keinen der dort angestellten Mitarbeiter während Corona hat kündigen müssen, ist wohl eine Meisterleistung. „Zwar mussten wir auf Kurzarbeit umstellen, aber nun sind alle wieder zurück und können wieder im vollen Umfang arbeiten“, sagt der Küchenchef Juri Hardenbecker.

Obwohl kein regulärer Studienbetrieb möglich war, standen die Küchenmaschinen nie still. Neben der wichtigen Gerätewartung hat man auch die wenigen, die sich trotzdem auf dem Campus bewegt haben, mit Essen zum Mitnehmen versorgt. „Dazu gehörten Dozenten, Arbeiter von umliegenden Institutionen, aber auch ausländische Studenten, denen es nicht möglich war, in ihre Heimat zurückzukehren.“ Außerdem habe man die Zeit genutzt, um an neuen Rezepten zu tüfteln. „Vegetarische und vegane Gerichte sind gerade unsere Kassenschlager.“ Für knappe vier Euro bekommt man hier ein warmes Gericht plus Beilage.

Das Preis-Geschmacks-Verhältnis scheint zu stimmen, denn zur Mittagsstunde sind fast alle Plätze belegt. Zu Besucherzahlen möchte man sich so kurz nach Semesterbeginn noch nicht äußern, aber eines steht fest. „Wir haben noch nicht das Niveau wie vor Corona-Zeiten, aber wir sind auf einem guten Weg“, sagt Hardenbecker zufrieden.

Sie hielten die Stellung in Corona-Hochzeiten

Dass der Unterricht an der Hochschule der Medien (HdM) während der Lockdown-Phasen überhaupt stattfinden konnte, ist wohl diesen beiden Herren zu verdanken. Frank Zellner und Collins Boateng gehörten zu den wenigen, die zu Corona-Hochzeiten die Stellung an der Hochschule hielten. „Wir haben den Dozenten dabei geholfen ihre Vorlesungen den Studierenden online zur Verfügung zu stellen“, sagt Boateng.

Eigentlich suchen Studierende den Technikpool auf, um Kameras für ihre Projekte auszuleihen. „Den Betrieb konnten wir auch aufrecht erhalten. Allerdings erfolgte die Kommunikation ausschließlich über E-Mail-Verkehr“, berichtet Boateng. Ein erheblicher Mehraufwand sei das nicht gewesen, dafür aber ein anderer. „Anstatt der fünf Minuten, die wir hier mit Beratung am Tresen verbringen, haben wir eher fünf Mails hin- und hergeschickt“, erzählt Frank Zellner.

Mittlerweile stehen die beiden Herren der Technik den Studierenden wieder persönlich mit Rat und Tat zur Seite und helfen auch dabei, Wegbeschreibungen zu unauffindbaren Räumen zu liefern. „Für gewöhnlich hat man dieses Wissen von Semester zu Semester weitergetragen“, sagt Zellner. „Das gilt es jetzt aufzuholen.“