Man liebt sie – oder sie geht einem gehörig auf den Wecker. Man bewundert ihren Geschäftssinn – oder ist genervt von ihrer Omnipräsenz. Nur kalt lässt Heidi Klum niemanden. Eine Annäherung.

Freizeit und Unterhaltung: Theresa Schäfer (the)

Manche finden sie toll. Andere total ätzend. Keine Meinung zu Heidi Klum haben aber vermutlich die allerwenigsten. Sie ist omnipräsent. Polarisiert. Und ist doch einer der wenigen deutschen Stars, die sich eine Karriere in den USA erarbeitet haben. Am 1. Juni wird die Bergisch Gladbacherin 50.

 

Seit über 30 Jahren ist Heidi Klum im Geschäft – und hängt auch gerade jetzt wieder an jeder Straßenecke. Sie macht Werbung für Unterwäsche. Die von der sexy Sorte. Dass sie das zusammen mit ihrer 19-jährigen Tochter Leni tut, ist eine weitere umstrittene Klum’sche Aktion. Während die einen lobten, hier präsentierten sich „zwei wunderschöne selbstbewusste Frauen“, schrieb die frühere „Pink Stinks“-Vorsitzende Stevie Schmiedel im „Spiegel“, wie befremdlich es sei, eine Mutter ihre fast noch halbwüchsige Tochter anpreisen zu sehen, nach dem Motto: „Hier, nackt ist sie auch schön!“

Heidi Klum macht sich nichts aus der Kritik. Überhaupt ist ein dickes Fell vermutlich auch eine der Qualitäten, die die rheinische Frohnatur dorthin gebracht hat, wo sie jetzt ist. Als 18-Jährige setzte sie sich beim Wettbewerb „Model ’92“durch. Aus Thomas Gottschalks „Late Night“ ging es für die Bergisch Gladbacherin fast direkt in die USA.

1997 durfte sie zum ersten Mal bei der Dessousschau von „Victoria’s Secret“ mitlaufen, ein Jahr später war sie auf dem Cover der legendären Bademoden-Ausgabe der „Sports Illustrated“. Plötzlich kannte halb Amerika die fröhliche Deutsche mit dem lustigen Namen und dem noch lustigeren Akzent.

Nie um einen flotten Spruch verlegen

Heidi Klum war im Geschäft, saß in den Talkshows von Jay Leno und David Letterman – auch weil sie nie um einen kessen Spruch verlegen war. In der Kultserie „Sex and the City“ hatte sie einen Kurzauftritt als sie selbst. Die kecke Ich-AG aus Deutschland wurde zur Marke, obwohl man sie seltener auf den Laufstegen der großen Modehäuser wie Dior, Prada, Louis Vuitton oder Chanel sah und häufiger auf den Titelseiten von „GQ“ oder „Cosmopolitan“. „Uns’ Heidi“ fehlte die magische Catwalk-Aura einer Nadja Auermann oder Naomi Campbell und mit 1,76 Metern kratzt sie gerade so am Modelgardemaß. „Die war nie in Paris. Die kennen wir nicht“, ätzte einst der Couturier Karl Lagerfeld über seine Landsfrau.

Doch der Chefengel von „Victoria’s Secret“ baute sich emsig eine Karriere neben dem Modeln auf. Flankiert von ihrem Vater Günther Klum, der lange Jahre ihr Manager war und lukrative Werbedeals für seine Tochter aushandelte - von Katjes bis Birkenstock. Denn vor allem ist Heidi Klum eines: Eine extrem clevere Geschäftsfrau. Schon 2004 startete sie im amerikanischen Fernsehen ihre erste Castingshow: In „Project Runway“ wird der beste Nachwuchsdesigner gesucht. 2006 eroberte sie mit „Germany’s Next Topmodel“ (GNTM) auf ProSieben dann den deutschen Fernsehmarkt. Die Show bringt es inzwischen auf 18 Staffeln – und wird von Mal zu Mal mehr kritisiert.

Seit Heidi Klum 2006 zum ersten Mal die Schönste im ganzen Land suchte, lautet ein Kritikpunkt, die Sendung vermittle jungen Mädchen ein falsches Schönheitsideal. Jugendschützer befürchten schon lange, Formate wie GNTM könnten Essstörungen wie Bulimie und Anorexie fördern. Klum und der Sender ProSieben haben sich dagegen stets verwahrt. Bereits 2015 wurde eine Studie veröffentlicht, die einen Zusammenhang zwischen GNTM und Essstörungen herstellte.

Dieser Kritik entgegnen die GNTM-Macher stets, man setze doch seit Jahren auf mehr Diversität, suche auch ältere Frauen, Curvy-Models und „Meedchen“ unter 1,75 Meter (der magischen Größengrenze auf Laufstegen). Kritiker halten diese Diversity-Offensive jedoch für ein bloßes Feigenblatt, hinter dem weiter munter nach perfekten Maßen sortiert werde.

Lange hörte man kaum Negatives von ehemaligen Teilnehmerinnen der Show – vor allem nicht über Klum selbst. In jüngster Zeit äußerten sich einige wenige doch und enthüllten, Krawall, Krach und Zickereien würden von den GNTM-Machern auch gerne inszeniert, sollte es einmal zu wenig davon geben. Im vergangenen Jahr machte kurz vor dem Topmodel-Finale ein Youtube-Video der früheren GNTM-Kandidatin Lijana Kaggwa Schlagzeilen. Darin warf die junge Frau aus Kassel der Produktionsfirma vor, die Kandidatinnen gezielt zu manipulieren und Konflikte zu schüren, um Quote zu bekommen.

Klum erwartet Nehmerqualitäten

Weil Heidi auf ihrem Karriereweg offenbar stets die Zähne zusammenbiss und bei jedem „Spring!“ nicht fragte „Warum?“ sondern „Wie hoch?“, erwartet sie ähnliche Nehmerqualitäten auch von ihren Kandidatinnen. Dass so ein Durchkommen um jeden Preis inzwischen ziemlich aus der Zeit gefallen wirkt, juckt die „Modelmama“ wenig. Schaltet man heute ein, wundert man sich, wie wenig sich die Sendung in 18 Jahren verändert hat. Beim Umstyling fließen stets die Tränen, während Heidi Klum in Hochstimmung und augenscheinlich ungerührt zwischen den Friseurstühlen herumstakst, hier einen platinblonden Pixieschnitt und dort einen Vokuhila fordert. Ziemlich gnadenlos sortiert Heidi Klum im Laufe der Show dann „Meedchen“ nach „Meedchen“ aus – schließlich kann „nur eine von euch Germany’s Next Topmodel werden“.

In einem Interview mit dem Sender CBS sagte Klum 2004, „harte Arbeit“ hätte ihr zum Erfolg verholfen. „Man wird nicht von jetzt auf gleich zum großen Star. Man muss viele kleine Schritte dazwischen machen.“ Sie sei nicht so dünn wie die anderen Models und ihre Kurven seien zu Beginn nicht gefragt gewesen. Sie habe viele Jobs gemacht, die andere nicht machen wollten. „Wenn du erfolgreich sein willst, musst du es machen und nicht warten, dass ein anderer es für dich tut.“

Zu dieser Machermentalität kommt ein unerschütterliches Selbstbewusstsein. Heidi schert sich augenscheinlich wenig, was andere von ihr denken: Auf Instagram zeigt sie sich mit ihrem Ehemann, dem Tokio-Hotel-Gitarristen Tom Kaulitz, oft ziemlich hüllenlos. Auf den roten Teppichen fallen ihre Outfits weniger durch hohe Schneiderkunst auf, als dadurch, dass sie oft mehr enthüllen als kleiden. Zuletzt schritt die Klum bei den Filmfestspielen in Cannes in einem gelben Kleid über die Croisette, bei dem der Busenblitzer bereits einkalkuliert war. Dass man neben „Hans und Franz“ (bekanntermaßen Klums Spitzname für ihre Brüste) dann noch die Brustwarze sah - gehört zum Berufsrisiko. Es sind die Momente, in denen auch der wohlmeinendste Klum-Fan innerlich aufseufzen dürfte: Ach, Heidi! Während sie wahrscheinlich denkt: Na und? In der Schule sei sie wegen ihrer Akne gehänselt worden, verriet die Bergisch Gladbacherin in dem CBS-Interview noch: „Pizzagesicht“ hätten ihre Mitschüler sie genannt. Damals habe sie gelernt, nichts darauf zu geben, was andere sagen.

Auf den ersten Blick verrät Heidi Klum ziemlich viel von sich. Doch wer ist die wahre Heidi? Gibt es einen Unterschied zwischen der öffentlichen Figur und der Privatperson? Die Eckdaten aus ihrem Privatleben sind bekannt. Klum ist inzwischen bei Ehemann Nummer drei und hat vier Kinder: Leni ist die Tochter des italienischen Formel-1-Managers Flavio Briatore, Henri, Johan und Lou (die das Model aus der Öffentlichkeit weitgehend heraushält) stammen aus Heidi Klums Ehe mit dem britischen Popsänger Seal. Sie liebt Halloween und toppt Jahr für Jahr ihre aufwendigen Kostüme. Der frühere CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach, auch ein bekannter Bergisch Glachbacher, offenbart Klums unbekannte Seite: In ihrer Heimatstadt unterstütze sie großzügig soziale Projekte, „ohne dass sie um dieses Engagement viel Aufhebens macht“.