Die älteste Weinbaugemeinde Württembergs schlägt Corona ein Schnippchen und findet neue Wege, Rebensaft zu genießen und über ihn nachzudenken.

Heilbronn - Ihr 50. Weindorf hatten sich die Heilbronner anders vorgestellt – nun gab es statt der großen Jubiläumseröffnung eine eher kleine, die weniger dem Trinkvergnügen und mehr dem Wein als solchem galt. Wegen Corona sollte das Weindorf in Württembergs ältester Weinbaugemeinde ausfallen, doch dann erarbeiteten die Veranstalter das Konzept der „Weindorf-Auslese“. Zu bewährten „Filetstücken“ wie Premiumweinproben kämen innovative Formate, sagt Steffen Schoch von Heilbronn Marketing (HMG). Er rechnet für die 140 Veranstaltungen an 30 Orten in zehn Weindorftagen mit 20 000 bis 30 000 Besuchern.

 

Neu ist eine Kooperation der Weindörfer in Heilbronn und Stuttgart. Mit Holger Gayer, dem Weinexperten der „Stuttgarter Zeitung“, sprach erstmals ein Vertreter aus der Landeshauptstadt bei der Eröffnung. Als Buttenträger – wegen der Gastgeschenke – angetreten, kam seine fachkundige Moderation gut an, konnte aber nicht verhindern, dass der Zeitplan bald hing wegen des Mitteilungsbedürfnisses derer, die er auf die Bühne bat.

Ein Loblied auf den Trollinger

Rund 120 geladene Gäste saßen an großen Tafeln vor dem nagelneuen Parkhotel im Harmoniegarten, darunter Innenminister Thomas Strobl, der in Heilbronn zur Lokalprominenz zählt, die deutsche Weinkönigen Angelina Vogt und die württembergische Weinkönigin Tamara Elbl. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner hatte wegen der Schweinepest kurzfristig abgesagt. Eine vom linksautonomen Zentrum „Käthe“ angesetzte Demo für Tierwohl und gegen Fleischkonsum mit etwa 50 Teilnehmern vor der Festhalle Harmonie war kein Störfaktor.

„Wein als Genussmittel und als Wirtschaftsfaktor“ war das Thema der von Gayer moderierten Runde mit Landwirtschaftsminister Peter Hauk sowie den Präsidenten Joachim Rukwied (Deutscher Bauernverband) und Hermann Hohl (Württembergischer Weinbauverband). Teils plauderten sie gut gelaunt, teils nachdenklich mit Blick etwa auf die Zukunft des Weinbaus: Es sei den Winzern noch nie so schlecht gegangen wie jetzt durch die Corona-Ausfälle, sagte Hauk, und plädierte dafür, „das Besondere des Württemberger Weines auf dem Markt auch durch dessen Preis zu unterstreichen“. Hohl sagte, das Minus werde nicht durch das Plus im Lebensmittelhandel und im Hausverbrauch ausgeglichen. Rukwied prophezeite, trotz Klimawandel werde der Riesling die Flächen behalten, der Lemberger international in den Fokus kommen und der Trollinger gut überdauern. „Der Trollinger hat seine besten Jahre noch vor sich“, sagte Hauk.

Die Weindorfzeit könne trotz allem eine gute Zeit werden, hatte Heilbronns Oberbürgermeister Harry Mergel in seiner Begrüßung beschwörend erklärt – und der Auftakt dieser Auslese gibt ihm recht.