Mannheimer Forscher: Unterschiede bei der Aufnahme von Flüchtlingen wirken in Baden-Württemberg bis heute nach. Wer hat es besser gemacht? US-Amerikaner oder Franzosen?

Baden und Württemberg sind, daran bestehen mehr als 70 Jahre nach der Gründung des Bundeslandes kaum Zweifel, längst gut zusammengewachsen.

 

Eine andere Grenze zieht sich hingegen bis heute quer durch den Südwesten: die zwischen der ehemaligen US- und der französischen Besatzungszone. Sie verläuft etwa zwischen Karlsruhe und Ulm, südlich der A 8. Vier Jahre lang, von 1945 bis 1949, haben die zwei Zonen bestanden. In dieser Zeit haben nur die Amerikaner in ihrer Zone Heimatvertriebene aufgenommen; der französische Präsident Charles de Gaulles hatte dies für seine Zone aus ökonomischen Gründen abgelehnt. Das änderte sich erst später mit dem bundesweiten Länderflüchtlingsausgleich.

Die Strategie der Amerikaner war von Vorteil

Auf lange Sicht und für die wirtschaftliche Entwicklung der betroffenen Regionen war die Strategie der Amerikaner offenbar von Vorteil. Dies zeigt eine Studie von Wirtschaftswissenschaftlern der Universität Mannheim zur Aufnahme von Geflüchteten und ihren Einfluss auf die Produktivität. „In der früheren amerikanischen Zone haben wir heute eine höhere Bevölkerungsdichte, mehr Betriebe und ein höheres Pro-Kopf-Einkommen als in der französischen, obwohl die Verhältnisse vor dem Krieg auf beiden Seiten ganz ähnlich waren“, sagt Antonio Ciccone, Professor für Volkswirtschaft an der Uni Mannheim und einer der Verfasser der Untersuchung. „Die Besatzungszonen prägten die Ansiedlung.“

Zusammen mit seinem Kollegen Jan Nimczik hat Ciccone insgesamt 220 benachbarte Städte und Gemeinden entlang der einstigen Zonengrenze in Baden-Württemberg akribisch unter die Lupe genommen. Von Rheinstetten (US-Zone) und Durmersheim (französisch) über Ettlingen/Rastatt, Marxzell/Bad Herrenalb, Waldenbuch/Dettenhausen, Nürtingen/Metzingen bis Blaubeuren/Ehingen und vielen anderen nur wenige Kilometer entfernte Kommunen zwischen dem Rheintal und der bayrischen Grenze haben die Forscher Daten aus amtlichen Archiven, Bibliotheken sowie historischen und aktuellen Wirtschaft- und Betriebsstatistiken ausgewertet.

US-Zone insgesamt wirtschaftlich aktiver und attraktiver

Das Ergebnis zeige, „dass sich die US-Zone insgesamt wirtschaftlich aktiver und attraktiver entwickelte“, so Ciccone. Schon die erste Volkszählung 1950 habe auf der US-Seite einen deutlichen Anstieg der Einwohnerzahlen durch den Zuzug von Heimatvertriebenen ergeben. „Damals war die Bevölkerungsdichte dort 20 Prozent höher als in der französischen, heute liegt sie sogar um 25 Prozent darüber. Das Pro-Kopf-Einkommen ist dort, ebenso wie die Produktivität, etwa 13 Prozent, die Löhne sind um zehn Prozent höher als in der ehemaligen französischen Zone“, sagt Ciccone.

Willkommen waren die Neubürger nicht. Die Sorgen waren groß angesichts von Wohnraummangel und eigener wirtschaftlicher Not. „Heute sehen wir, wie die Geschichte ausgegangen ist: Die wirtschaftlichen Sorgen haben sich nicht bewahrheitet“, meint der Mannheimer Forscher.