Immer mehr Menschen verbringen ihre Freizeit im Wald, vor allem seit Corona. Das lässt die Forstwirtschaft umdenken.

Für den Weinstädter Stadtwald muss eine neue Betriebsplanung aufgestellt werden. Doch wo soll die Reise in den nächsten zehn Jahren hingehen? Welche Funktionen soll der Wald erfüllen? Welche Schwerpunkte setzt man? Die Forstamtsleiterin Dagmar Wulfes wirbt im Gemeinderat für eine Änderung der Rangliste. „Vor zehn Jahren hat man gesagt: Wichtig ist die Schutz-, dann die Nutzfunktion und erst danach die Erholungsfunktion. Jetzt sollte die Erholungs- vor der Nutzfunktion kommen.“ Denn die Wahrnehmung des Waldes habe sich verändert. Vor allem seit Corona sei dessen Erholungswert wichtiger geworden. Der Gemeinderat übernahm ihre Empfehlung und änderte die Wirtschaftsziele für den neuen Betriebsplan entsprechend.

 

Umdenken in den Kommunen

Mit dieser Entscheidung steht Weinstadt nicht allein da, so Wulfes Erfahrung. „Tatsächlich ist es so, dass die Kommunen uns da komplett folgen und sagen, sie wollen nur einen geringen Ertrag oder eine schwarze Null“, berichtet sie im Gespräch mit dieser Zeitung. Zudem gebe es auch Gemeinden, die dafür bereit seien ein Minus bis zu 30 000 Euro mitzutragen.

Dass ein Umdenken stattfindet, beobachtet auch Dieter Seitz, der Leiter des Forstreviers Murrhardt-Nord: „Die Gemeinden zwingen uns nicht, den letzten Euro rauszuholen. Die Nutzfunktion wird nicht mehr so stark gesehen.“

In der Konsequenz bedeutet dies, erläutert Wulfes, dass ein stabiler alter Baum beim Holzeinschlag stehen gelassen werde, weil er für die Bevölkerung eine große Bedeutung hat. Dabei könne eine Eiche gut und gern 10 000 Euro einbringen. Denn während der Holzpreis bei 105 Euro pro Kubikmeter liege, könne dieser für die zum „Modebaum“ gewordene Eiche auch mal 2000 Euro betragen. Insgesamt jedoch seien die Zeiten, in denen Holz „eine Sparkassenfunktion“ gehabt habe vorbei. „Es ist nicht mehr so, dass eine Sporthalle aus dem Holzverkauf finanziert werden kann“ – was auch mit dem Klimawandel zusammenhängt.

Das Gehölz wirft kaum mehr Ertrag ab

Einerseits müsse, um größeren Schäden vorzubeugen, oftmals schnell geerntet werden, erklärt Seitz. Das bringe Verluste beim Holzerlös mit sich. Zum einen, weil Schadholz einen geringeren Verkaufswert habe. Zum anderen, weil man oftmals zu Zeiten Holz machen müsse, in denen es vom Markt her eigentlich nicht passe, etwa nach Stürmen, wenn die Preise durch das Überangebot nach unten gingen.

Generell könne nicht mehr so viel Zuwachs wie früher auf einem Hektar Wald erzeugt werden. Dazu komme, dass neue Kulturen mit trockenheitsresistenteren Baumarten angelegt werden müssen. Zumal Naturverjüngungen durch die eigene Aussaat der Waldbäume mit den schnellen Holzentnahmen nicht mehr Schritt halten könnten. Das sei ein Riesenbatzen, den man dafür finanziell vorstrecken müsse.

Neu: Sponsoren für Wald

Doch komme den Gemeinden zugute, dass es immer mehr Sponsoring-Angebote gibt, sowohl von Firmen als auch von Privatpersonen, merkt Forstamtsleiterin Wulfes an: „Die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald vermittelt Sponsoren.“ Auch daran lasse sich das wachsende Interesse am Wald in der Bevölkerung feststellen.

Dass die Wälder im Kreis für viele Menschen an Bedeutung gewinnen und sich mehr in ihnen aufhalten, stellen die beiden Fachleute indes noch an etwas ganz Anderem fest. „Die Kritik aus der Bevölkerung hat heftig zugenommen“, sagt Forstrevierleiter Seitz. Wulfes erreichen ebenfalls immer mehr Beschwerden, vor allem wegen Holzeinschlägen. Unbeachtet dabei bleibe, dass es sich vielfach um Schadholz und nicht um gesunde Bäume handle. „Wir werden als die Treiber von Entwaldung gesehen. Dabei sind wir die Gehetzten und Getriebenen“, sagt Seitz. Derweil wird die Verkehrssicherheit im Wald durch die zunehmende Zahl an Wanderwegen und Erholungseinrichtungen für die Forstleute zu einer immer größeren Aufgabe. Letztlich sehen Wulfes und Seitz die Tatsache, dass mehr Menschen als früher sich im Wald aufhalten aber positiv. „Dadurch kommt man mit ihnen ins Gespräch.“

Priorität des Waldes

Die oberste Priorität bei allen Veränderungen bleibe indes die Schutzfunktion, welche der Wald in vielerlei Hinsicht erfülle, betont die Forstamtsleiterin. So diene er dem Wasserschutz, da Trinkwasser aus Quellen im Wald gewonnen werde. Des Weiteren sorgten Wälder als Frischluftschneisen für Klimaschutz in den umliegenden Ortschaften. Nicht vergessen werden dürfe außerdem ihre Leistung für den Naturschutz.