Der Edelsender HBO hat in den USA einen Ableger fürs Derbere, Schrillere, Nacktere: Cinemax. Die Cinemax-Serie „Banshee“ über einen zum Sheriff gewordenen Verbrecher dürfte auch hierzulande Freunde von Charles-Bronson-Filmen erfreuen.

Stuttgart - Aus der düsteren Ecke des Krimiuniversums kennt man dieses Konzept: in jedem Cop steckt auch ein Verbrecher. Das kann man ganz gut beim Altmeister Jim Thompson nachlesen. Die amerikanische TV-Serie „Banshee“ aber treibt dieses Misstrauen auf die Spitze. Der in einer Amish-Gegend für Ordnung sorgende Kleinstadt-Sheriff Lucas Hood hat keine verbrecherischen Neigungen, er ist ein frisch aus dem Knast entlassener Berufsverbrecher. Die Uniform trägt er zu Unrecht, er ist jetzt auch noch ein Hochstapler und Persönlichkeitsdieb.

 

Wie er zur Sheriffs-Identität kommt, sei hier nicht verraten. Nur soviel: wie das meiste in „Banshee“ ist auch das nichts, das via Aussprache oder durch intellektuelle Duelle zustande kommt, sondern das Ergebnis einer handfesten Auf-Leben-und-Tod-Konfrontation.

„Banshee“ ist eine Produktion von Cinemax, eines Abosender-Ablegers von HBO, der mit hohen Dosen Sex und Gewalt jenes Publikum anspricht, dem die viel gepriesene HBO-Serienkultur zu lasch, verkopft und kompliziert ist.

Den Bleifuß aufs Pedal

Sex und Gewalt gibt es in reichem Maße auch in „Banshee“, aber Kenner des Gesamtangebots von Cinemax, dies sei bei weitem die beste Serie des Kanals. Der Autor dieser Zeilen glaubt das gerne, denn „Banshee“ lässt früh alle Ansprüche auf Logik, Realitätsnähe und Charaktertiefe hinter sich und drückt mit Bleifuß aufs Pulp-Fiction-Pedal.

Viele der neuen Edelserien, vom Klassiker „Sopranos“ über „The Wire“ und „Breaking Bad“ bis hin zu „Fargo“ und „True Detective“ machen dem anspruchvollsten Krimikino sehr erfolgreich Konkurrenz. „Banshee“ bezieht sich eher auf alte Charles-Bronson- und aktuelle Jason-Statham-Filme und nimmt für sich in Anspruch, auch die Lust an harten Kerlen, die sich alleine und jenseits des Gesetzes durchschlagen, besser zu befreidigen als das große Hollywood oder die schmuddligeren der Direct-to-DVD-Produzenten. Und „Banshee“ nimmt den Mund da nicht einmal zu voll.

Polizeigewalt als Normalfall

Hood, hinter dem eine osteuropäische Mafiabande aus der Großstadt her ist, die nur zu gerne wüsste, wo er sich versteckt, lässt keine Gelegenheit aus, Youtube-Skandalvideo-Held des Jahres zu werden. Mal um Mal geht der von Antony Starr taff Gespielte in Uniform zum Nahkampf über und prügelt sich, dass Knochen brechen und Gesichter zur Unkenntlichkeit entstellt werden. Fast jeder seiner Polizeigewaltexzesse würde zum landesweiten Medienaufreger – und wohl auch zum Auslöser von Demonstrationen all jener Amerikaner, die ihre eigene Polizei mittlerweile als brutale Besatzungsmacht betrachten.

Dass es anders kommt, dass der Verbrecher mit dem Stern auf der Hemdbrust weitgehend unter einer Käseglocke agiert, die sein Örtchen Banshee vom Rest der Welt trennt, dass er seine Maskerade trotz Reibereien mit den Untergebenen aufrecht erhalten kann, muss man schlucken können. Sonst schaltet man spätestens bei der dritten Folge schreiend ab.

Es geht hier um den Traum, ein paar harte Fäuste, straffe Muskeln und hohe Schmerztoleranz böten noch immer die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben nach Western- oder Räuberpistolenart. Wer diesen absurden Traum manchmal durchspielt, wer also Charles-Bronson-Filme mag, könnte es einmal mit „Banshee“ versuchen. Alle anderen sollten lieber gleich zu den Serien von HBO greifen.

„Banshee – Staffel 1“. Warner Home Video. DVD/Blu-ray. 512 Minuten. Freigegeben ab 18 Jahren.