In der Zehntscheune in Heimsheim begeben sich Besucher mit auf eine Reise durch die Dudelsack-Geschichte.

Heimsheim - Ganz genau weiß bisher niemand, was es mit dem Namen „Sackpfeife“ für ein Gewann zwischen Malmsheim und Heimsheim auf sich hat. Haben hier nach dem Dreißigjährigen Krieg und dem damals herrschenden Tanzverbot heimliche Tanztreffen zu Dudelsackmusik stattgefunden? Fest steht: der Dudelsack ist längst nicht nur in Schottland zuhause, sondern war in ganz Europa und darüber hinaus ein beliebtes Instrument. Es war in den meisten Ländern nur lange Zeit in Vergessenheit geraten, bis Menschen wie Claudia und Bernd Pathe, Bernd Thums und Peter Widenhorn und ihresgleichen es wieder aus der Vergessenheit geholt haben, weil sie es wichtig finden, auch eigene Traditionen am Leben zu erhalten und zu kennen.

 

„Eine Reise in die Geschichte der Dudelsäcke“ ist der Abend in der Zehntscheune überschrieben, an dem die Musiker einmal nicht hauptsächlich Musik aus Mittelalter und Barock spielen, sondern vor allem einiges über Herkunft, Spielweise und Technik ihrer althergebrachten und teils selbst gebauten Instrumente erzählen wollen. Mit der Idee zu diesem musikalisch untermalten Vortrag sind die vier Spielleute auf ein überraschend großes Interesse gestoßen, wie die Büchereileiterin Tina Kühnle-Häcker in ihrer Begrüßung feststellt. Musikstücke wie eine „Poloneß“ aus dem 18. Jahrhundert, ein Marsch aus Böhmen, Boureés und Walzer, aber auch Jigs und ein schwäbisches Menuett untermalen das Erzählte und sind als Klangbeispiele zum Vortrag und den vorgestellten Instrumenten gedacht. Gespielt wird auf diversen Dudelsäcken, auf Drehleier, Harfe, Geige, Scheitholt – ein Zither-Vorläufer – , Flöten und einem modernen Kontrabass.

Es gibt ihn als Sackpfeife, Bockpfeife oder Dudelsack, in Frankreich als Musette de Cour, für die Sorben heißt er Mechawa, die Waliser nennen ihn Tibhae oder Pibacwd – und selbst in einem Land wie etwa Frankreich gibt es je nach Region viele unterschiedliche Abarten und Namen für den Dudelsack. Meist hat das Rohrblattinstrument nur eine, seltener zwei Spielpfeifen, mit denen die Melodie gespielt wird. Dazu kommen, je nach Modell, eine oder mehrere Bordunpfeifen, die jeweils nur einen stets gleichbleibenden Ton von sich geben. Der Klang ist je nach Bauart und Material der Instrumente überaus unterschiedlich und reicht von einem fast unerträglich lauten Ton bis hin zu zartem, sanftem Klang.

Im Mittelalter, erzählt Claudia Pathe, habe sich die Sackpfeife, die erst vom 17. Jahrhundert an auch Dudelsack genannt wurde, in ganz Europa verbreitet. Schriftliche Belege finden sich in Urkunden des Klosters St. Blasien aus dem 8. oder 9. Jahrhundert, erste Darstellungen sind seit dem 12. Jahrhundert bekannt. Zunächst war das Instrument mundgeblasen, der Blasebalg war erst im 16. Jahrhundert bekannt. Erst ein Instrument für bäuerliche Tanzvergnügen, kam es im Barock und Rokoko mit der Schäferromantik auch in adligen Kreisen in Mode. Als Instrument hinterwäldlerischer Landbewohner galt es wieder im 18. Jahrhundert, als das Musikempfinden des aufgeklärten Bürgertums sich wandelte. In vielen Ländern jedoch, erzählt Claudia Pathe, hätten sich einige „gallische Dörfer“ ihre Musiktraditionen nicht nehmen lassen. Heute erleben Dudelsack & Co. ihre Wiedergeburt, auch durch das steigende Interesse an Mittelalterfesten und traditionellem Brauchtum.

Und so würde sich heute wohl niemand mehr so boshaft über einen musikverliebten Verstorbenen äußern wie es in einem Ditzinger Totenbuch des Jahres 1773 zu lesen ist: „Den 19ten Merz Morgens um 5 Uhr starb am Nachlaß der Natur Hannß Christoph Veit Bürger und Weingärtner allhier, der ehedessen sich viele Jahre zu einem Knecht der Wollust und Eitelkeit mit Pfeiffen und Tudelsack-Spielen brauchen laßen, welches ihm der Herr wolle zu erkennen gegeben und gnädiglich verziehen haben!“ Immerhin: der wollüstige Dudelsackspieler ist stolze 89 Jahre alt geworden.