Mit „Trau Dich“ und „Fest Versprochen“ gab es gleich zwei Hochzeitsmessen an einem Wochenende. Beide sprachen eine unterschiedliche Klientel an. Es gab aber auch Gemeinsamkeiten.

Stuttgart - Ein junges Paar läuft Hand in Hand durch einen Gang zwischen den beiden Ausstellungsräumen der Messe Fest Versprochen im Bad Cannstatter Wizemann-Areal. Damit bringt es schon einmal gute Voraussetzungen mit für das Stöbern zwischen den Ständen. Vielleicht kommt es auf seinem Weg auch an Gina Weident und ihren Brautkleidern vorbei.

 

Weident könnte ihnen erklären, was die „rebel bride“ von heute bei der Hochzeit trägt. Die „rebellische Braut“ kleidet sich zum Beispiel in einer weißen Bomberjacke aus Satin. „Die kann sie später auch im Club anziehen“, meint Weident. Die Frau von heute mutiert eben nicht zum Heimchen am Herd, sondern stürzt sich mit oder ohne angetrautem Gatten an der Seite in die nächsten Abenteuer. Die Hochzeit ist für sie nicht das Ende der Welt.

Auf der Fest Versprochen scheinen sich viele zu tummeln, die der Ehe eine apokalyptische Wirkung auf Jugend und Lebenslust zuschreiben. Sie wollen den bösen Geist vertreiben, indem sie ihre Hochzeit möglichst anders feiern, als es ihre Eltern getan haben. Paare können auf der Fest Versprochen die Burlesque-Tänzerin Violetta Poison ansprechen. Sie tanzt auf Junggesellenabschieden, aber auch für Paare auf Hochzeiten. Neu ist auch die Möglichkeit, das Clubschiff Fridas Pier als Festort zu mieten. Benjamin Kieninger von Fridas Pier meint, dass die Frachträume sich gut für eine Techno-Party eignen, während oben auf dem Deck festlich diniert werden könnte.

Viele wollen anders feiern als die Eltern

Wer so den Bund der Ehe feiern möchte, verschreibe sich nicht gerade dem, was früher Norm war, erklärt Kieninger. Überhaupt seien auf der Fest Versprochen vor allem „Business Hippies“ – Menschen, die gut verdienen und Hedonismus nicht abgeneigt sind. „Hier informieren sich Paare, die sehr spät heiraten. Wenn es passiert, dann auf keinen Fall normal“, so Kieninger.

Einige Kilometer weiter in der Liederhalle ist sich Lisa Gronbach von der Hochzeitsmesse Trau Dich sicher, dass sich die beiden Veranstaltungen nicht in die Quere kommen. Die Paare hätten eine Chance, ganz verschiedene Angebote kennenzulernen, meint sie. Die Trau Dich ist mit rund 200 Ausstellern und erwarteten 7000 Besuchern deutlich größer als die Fest Versprochen. Dort wurden 2018 circa 1800 Besucher gezählt. Die Trau Dich gibt es auch schon seit mehr als 20 Jahren in Stuttgart. Die Konkurrenzveranstaltung ist dagegen erst einige Jahre alt.

Aber auch die Trau Dich ist vom Individualisierungstrend voll erfasst. Und wie so oft, wenn alle sich abgrenzen wollen, trifft sich die Herde wieder an einem Punkt. „Vintage“ ist das Motiv, das auf der Trau Dich Brautmode, Hochzeitsschmuck und alle anderen Aspekten des Feierns voran steht. Alles soll alt aussehen und schlicht wirken, dabei aber doch eine hohe Qualität haben. Anna Fortunato vom Stuttgarter Brautgeschäft Turteltaube sieht in der Märchenprinzessin eine schwindende Spezies. Auf alt gemachte Brautkleider im Vintage-Look sein gefragt oder solche mit viel Sex-Appeal. Unschuldig aussehen oder herausgeputzt herumstolzieren beim Gang zum Altar wollten immer weniger Frauen, die die Trau Dich besuchen, meint sie. „Eine Lady Di habe ich heute noch nicht getroffen“, sagt sie.

Paare schmieden Ringe selbst

Die Sehnsüchte nach Schlichtheit verändern auch die Arbeit der Juweliere. Andreas Reinschlüssel bietet im Stuttgarter Westen Goldschmiedekurse an, in denen Paare ihre eigenen Ringe für die Hochzeit herstellen. Zwei Sitzungen zu jeweils drei Stunden seien dafür ausreichend, sagt er. „Ich bin ja dabei und leite die Paare bei der Arbeit an“, sagt Reinschlüssel.

Ob er der Meinung sei, dass die Ehen besser funktionierten, wenn die Paare ihre Ringe mit den eigenen Händen herstellen, statt sie bei einem Juwelier zu kaufen? Reinschlüssel erzählt von den Paaren, die zum zweiten Mal vor den Altar treten und bei ihm in einem Kurs ihre Ringe schmieden. „Die haben schon einmal einen Ring gekauft und wissen, was man selbst macht, hält am besten.“