Michael Sommer hat als DGB-Chef die Gewerkschaftsbewegung zwölf Jahre lang geprägt. Nun tritt die 26-jährige Tochter Helene in seine Spuren – zunächst mal als Zweite Bevollmächtigte der IG Metall in Friedrichshafen. Dabei unterstreicht sie ihre Eigenständigkeit.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Friedrichshafen - Man muss in den sogenannten Generationen Y und Z schon sehr lange suchen, um jemanden zu finden, der noch die alten Arbeiterlieder auswendig kennt: „Wann wir schreiten Seit’ an Seit’“ etwa, „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit“ oder das „Solidaritätslied“ von Bertolt Brecht. Folglich muss es einen besonderen Grund geben, wenn eine 26-Jährige wie Helene Sommer da locker einzustimmen vermag. Ihr Vater Michael Sommer hat diese und andere Hymnen der sozialistischen Arbeiterbewegung nicht nur verinnerlicht, er war zwölf Jahre lang der wortgewaltige Arbeiterführer der Republik. Im Mai 2014 übergab er den Vorsitz des Gewerkschaftsbundes (DGB) an seinen Nachfolger.

 

Nun hat sich – ähnlich selten – seine Tochter aufgemacht, ihrerseits in der Gewerkschaftsbewegung voranzuschreiten. Am vorigen Wochenende wurde sie zur Zweiten Bevollmächtigten der IG Metall Friedrichshafen-Oberschwaben gewählt. Ein Geschäftsführerposten für eine 26-Jährige, die mit diesem Alter formal noch zur IG-Metall-Jugend zählt, ist eine weitere Rarität. Arbeiterlieder zu kennen war aber nicht Einstellungsvoraussetzung für Helene Sommer – und auch die Prominenz des Vaters dürfte keine Rolle gespielt haben. „Ich verstecke den familiären Hintergrund nicht“, sagt sie. Doch trage sie diese Information „auch nicht durch die Weltgeschichte“, weil es nicht der Grund sei, „warum die mich gewählt haben“.

Tiefgreifender Konflikt zweier Sozialdemokraten

Michael Sommer mag nicht verbergen, wie stolz ihn dies macht. Seinerzeit hatte er schwere politische Schlachten zu bestehen: Im Streit über die Agenda 2010 war Sommer der wohl einflussreichste Gegenspieler des Agenda-Kanzlers Gerhard Schröder. Der DGB-Chef und der „Genosse der Bosse“ – das war wie Feuer und Wasser, ein Kleinkrieg unter Sozialdemokraten. „Das ist der Sommer, den können Sie gern hierbehalten“, hat Schröder auf einer gemeinsamen Afrikareise in Ghana gelästert.

Sommer war dann auch mitverantwortlich dafür, die Gewerkschaften von der SPD zu emanzipieren. Woraufhin die einen auf die Erfolgsspur und die anderen in Richtung Abgrund geraten sind. Er hat den tief zerstrittenen DGB geeint und war trotzdem nicht unumstritten. Heute hat der 64-Jährige nur noch den Vizevorsitz der Friedrich-Ebert-Stiftung, einen Aufsichtsratsposten bei der Deutschen Telekom und einen Sitz im Kuratorium der VW-Stiftung.