Vor 60 Jahren haben die Briten Helgoland zurückgegeben. Seither ist das Steuerparadies deutsch – und die Zeit ein bisschen stehen geblieben.

Helgoland - Der 1. März ist auf Helgoland ein Feiertag. Er erinnert daran, dass die Insel 1952 wieder deutsch wurde. Denn entgegen gängiger Vorstellung ist sie das nicht die ganze Zeit gewesen. Die von einem harten Friesenschlag bevölkerte Hochsee-Insel gehörte lange zu Dänemark und fiel 1806 im Krieg gegen Napoleon an die Engländer. London schickte einen Gouverneur, der sich aber mit Schafzucht begnügte. Erst als Kaiser Wilhelm deutsche Seegeltung beanspruchte, wurde die Insel als strategischer Ort entdeckt – und die Kolonie Sansibar gegen Helgoland getauscht.

 

Fortan war es mit dem liberalen Leben und dem Tourismus vorbei. Das Militär zog auf und trieb tiefe Stollen in den Felsen. Alles für die Katz: im Ersten Weltkrieg ignorierte die britische Marine die deutsche See-Festung, aber vorsorglich hatte man die Helgoländer evakuiert. Doch das war nicht das Ende ihrer Odyssee. Hitlers Leute bohrten nach 1933 weiter in dem roten Felsen herum und legten auf der „Düne“ sogar einen Flugplatz an. Im Zweiten Weltkrieg ließen die Engländer die Insel ungeschoren und donnerten sie erst bei Kriegsende mit einem mächtigen Luftangriff zusammen.

Glück im Unglück: die Bewohner konnten in den Stollen überleben. Aber danach wurden sie aufs Festland vertrieben, weil die Briten das Eiland als Bombenziel benutzten. Das zog sich hin bis Anfang der fünfziger Jahre und endete erst, als zwei deutsche Studenten Weihnachten 1950 unter Lebensgefahr auf der Insel campierten, um ein Signal zu setzen. Das erregte sogar in London Bewunderung – wo man nun bereit war, Helgoland zurückzugeben.

Ein Mythos belebte den Tourismus kräftig

Die Rückkehr der Einheimischen und der Wiederaufbau des einen Quadratkilometer großen Landes schufen einen Mythos, der den Tourismus kräftig belebte. Weil man zoll- und mehrwertsteuerfrei einkaufen kann, kommen bis heute viele Tagestouristen. Aber die Attraktivität der Insel lässt nach. Ihren altmodischen Habitus schätzen zwar die Älteren, aber jungen Menschen hat sie wenig zu bieten, und sie ist weit davon entfernt, so mondän zu sein wie Sylt. Der Vorteil ist: es gibt keine Autos, ja nicht einmal Radfahrer, es ist schön, durch die Straßen zu schlendern, in denen sich in fünfzig Jahren kaum etwas verändert hat, oder mit dem Lift ins Oberland hinaufzufahren und oben einen überwältigenden Blick über die Nordsee genießen.

Weiter oben kommt man an die örtliche Schule, die, wie die Lehrerin beklagt, von immer weniger Schülern besucht wird. Jüngere Helgoländer wandern aufs Festland ab, die Schüler müssen zu weiterer Ausbildung hinüber. Insgesamt geht die Stimmung nach Moll, aber niemand weiß so recht, was tun. Lange wurde der Vorschlag diskutiert, den Felsen mit der gegenüberliegenden „Düne“ zu verbinden, die durch eine Sturmflut 1720 abgetrennt wurde. Land könnte so gewonnen werden zum Bau moderner Hotels, Wellness-Anlagen oder Ferienwohnungen. Aber das Gros der Helgoländer ist so konservativ wie der seltene friesische Dialekt, den sie sprechen. Mit einem Bürgerentscheid vergangenen Sommer lehnte die Mehrheit die geplante Landverbindung ab. Konservative Besucher wird es freuen. Helgoland bleibt nicht nur unser, sondern so, wie es ist.