Helmuth Rilling wird am Dienstag 85. Er hat die Musik Bachs zu Menschen auf der ganzen Welt gebracht.

Leonberg - Wenn Helmuth Rilling am heutigen Dienstag seinen 85. Geburtstag feiert, ist es genau fünf Jahre her, dass er nicht mehr die Geschicke der Internationalen Bachakademie leitet, die er im Jahr 1981 gegründet hat. Das ändert aber nichts daran, dass in seinem Leben die Musik von Johann Sebastian Bach Tag für Tag ungemein präsent ist – in seinem Kopf und in seinem Bewusstsein, wie er erzählt.

 

Unschätzbar viel schöne Musik hat der gebürtige Stuttgarter Rilling, der vielen auch als „Bach-Papst“ galt und gilt, den Menschen geschenkt: in unterschiedlichen Konzertformaten, Workshops und auch zum Mit-nach-Hause-nehmen. Als erster Dirigent spielte Helmuth Rilling sämtliche Kantaten Johann Sebastian Bachs ein, zum Bach-Jahr 2000 erschien unter seiner künstlerischen Leitung die Gesamtaufnahme des Bachschen Werkes auf 172 CDs.

Rilling hat Bachs Musik auch weit über die Grenzen Deutschlands hinaus zu den Menschen gebracht. Besonders wichtige Stationen sind hier beispielsweise das von ihm mitbegründete Oregon Bach Festival in den USA, das er von 1970 bis 2013 leitete. Konzertreisen und seine Lehrtätigkeit führten ihn zudem nach China, Taiwan, Südamerika, Polen oder Russland. Eine Erinnerung, die ihm besonders kostbar ist, ist der Moment im Jahr 1970, als er als erster deutscher Dirigent nach dem Zweiten Weltkrieg das Israel Philharmonie Orchestra leiten durfte, mit dem ihn inzwischen eine langjährige Freundschaft verbindet. „Es hat mir viel bedeutet, eine völkerverbindende Freundschaft mit der Musik wieder aufleben zu lassen, die mir so wichtig ist“, erinnert er sich.

Musik verbindet die Völker

Ein großes Anliegen ist es ihm immer gewesen, die Musik dieses großen Komponisten weltweit in ihrer ganzen Bedeutung zu vermitteln. „Er hat viele wunderbare Werke geschaffen, auch kleinere. Diese Musik ist immer verbunden mit Kirche und Religion. Das wollte ich auch in anderen Ländern durch die Art der Interpretation bekannt machen.“ Viele Ensembles hat Helmuth Rilling auf der ganzen Welt geleitet, und er fand es immer interessant, auch von ihnen zu lernen. Einen besonders tiefen Eindruck hat der Unterschied zwischen Ost und West in Zeiten des Kalten Krieges auf ihn gemacht. Rilling erinnert sich, dass die Regimes im Osten damals die Musik Bachs keineswegs schätzten. „Es war wirklich etwas Besonderes, seine Werke dort aufzuführen.“ In Moskau beispielsweise, das weiß er noch, hatten die jungen Leute diese Musik unbedingt kennenlernen wollen und den Konzertsaal regelrecht gestürmt. „Da konnte die Polizei gar nichts machen.“

„Ich habe das Glück gehabt, dass ich diese schöne Musik zu meiner Verfügung hatte“, sagt Rilling rückblickend. Stets hat er sie auswendig dirigiert. „Aber es braucht Menschen, die diese Musik mit einem zusammen machen. Und ich bin dankbar dafür, dass so viele Menschen auf der ganzen Welt sie kennenlernen wollten.“

Ausgezeichnet von höchster Stelle

Die ersten Ensembles, die diesen Weg mit ihm gegangen sind, waren die 1954 von Rilling gegründete Gächinger Kantorei und das 1965 ins Leben gerufene Bach-Kollegium Stuttgart. Von dieser Zeit an hat er sich intensiv mit dem Werk Johann Sebastian Bachs beschäftigt. Für sein vielfältiges Engagement wurde er vielfach ausgezeichnet, unter anderem überreichte ihm Ministerpräsident Winfried Kretschmann am 17. Februar 2014 das Bundesverdienstkreuz in der Ausführung „Großes Verdienstkreuz mit Stern“. Zum symbolischen Stabwechsel an der Spitze der Bachakademie vor fünf Jahren kam der damalige Bundespräsident Joachim Gauck.

Und obwohl Rilling die Musik Johann Sebastian Bachs in die Welt hinausgetragen hat, ist er doch immer wieder an den Ort zurückgekehrt, an dem er mit seiner Frau Martina lebt und wo die beiden Töchter Sara und Rahel – heute beide selbst exzellente und erfolgreiche Musikerinnen – aufgewachsen sind: nach Warmbronn. „Es ist ein wunderbarer Ort mit so vielen offenen und freundlichen Menschen“, sagt Rilling. Und er liebt die Wiesen und Wälder, die den Ort umgeben. „Wenn ich mich konzentrieren oder in Ruhe nachdenken möchte, setze ich mich dort einfach irgendwo auf eine Bank oder einen Baumstumpf“, verrät er.