Die ARD verfilmt das Leben des Altkanzlers Helmut Schmidt. Unter dem Arbeitstitel „Lebensfragen“ spielen Bernhard Schütz und Peter Striebeck den Sozialdemokraten.

Stuttgart - Dank seiner imposanten geistigen Frische wird Helmut Schmidt seit Jahren als Nestor der deutschen Politik verehrt. Nicht nur Sozialdemokraten respektieren und bewundern die nach wie vor messerscharfen Analysen des früheren Bundeskanzlers, der im Dezember 95 Jahre alt wird. Zu diesem Anlass produziert der Norddeutsche Rundfunk derzeit ein Dokudrama, einen Film also, der zeitgenössische Dokumentaraufnahmen mit nachgespielten Szenen und Interviews mischt. Grundlage des Drehbuchs von Sebastian Orlac waren unter anderem Fotos, Bücher und handschriftliche Notizen aus dem Privatarchiv, das der Politiker erstmals für einen derartigen Zweck öffnete.

 

Laut Patricia Schlesinger, der Leiterin des NDR-Programmbereichs Kultur und Dokumentation, beleuchte der Film in nicht-chronologischer Form Teile von Schmidts Leben: „Wir konzentrieren uns auf einige Schlüsselmomente. Sie werden sich zum Teil mit dem Bild decken, das die meisten Menschen von Schmidt haben. Aber es gibt Augenblicke, die sich erst in der Retrospektive als große Momente entpuppt haben und die kaum jemand kennt.“

Einige dieser einschneidenden Erlebnisse haben ausgesprochen privaten Charakter. Der Regisseur Ben von Grafenstein wird bei seiner Inszenierung dafür sorgen, dass die Zuschauer entsprechend berührt werden, wenn Schmidt beispielsweise seiner Freundin Loki mitteilt, dass er einen Einberufungsbefehl hat und in den Krieg ziehen muss. Ähnlich emotional wird die Szene sein, in der der Kanzler und seine Frau Mitte der Siebzigerjahre beschließen, sich im Falle einer Entführung nicht austauschen zu lassen.

Lieber was Neues

Helmut Schmidt – Lebensfragen“, so der vorläufige Titel, ist nicht der erste Film, der Ereignisse aus dem Leben des Altkanzlers szenisch rekonstruiert. Schon zweimal war Schmidt prägende Figur herausragender Fernsehfilme, und beide Male wurde er dabei von Christian Berkel verkörpert. Der aufwändige RTL-Zweiteiler „Die Sturmflut“ (2006) stellt eine Naturkatastrophe aus dem Februar 1962 nach, als Hamburg von unvorstellbaren Wassermassen überflutet war und Schmidt als Polizeisenator und Krisenmanager große Popularität erlangte. Der zweite Film, „Mogadischu“ (ARD 2008), erinnert an den „Deutschen Herbst“ (Oktober 1977), als Terroristen der Roten Armee Fraktion den Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer und ein palästinensisches Terrorkommando das Lufthansa-Flugzeug „Landshut“ entführten. Auch in „Mogadischu“ wird Schmidt von Berkel gespielt, der das „ganz hervorragend“ gemacht habe, wie Schlesinger attestiert. Man habe tatsächlich darüber nachgedacht, ihn zu besetzen, „aber dann wollten wir doch lieber etwas Neues probieren.“

Den Senator wird Bernhard Schütz (54) spielen, der allerdings jünger geschminkt werden musste; 1962 war Schmidt 44. Als junger Mann wird er von dem erfahrenen Ludwig Blochberger verkörpert. Aber es gibt auch Kindheitsmomente, etwa, als der kleine Helmut (Jonas Kapuscinski) Fahrrad fahren lernt und sein Vater ihn lehrt, er müsse in jeder Situation tapfer sein; oder als der Junge (Markus Quentin) Mitglied der Hitlerjugend werden möchte. Besonders eindrucksvoll findet Schlesinger Peter Striebeck als Altkanzler: „Wenn man Striebeck sieht, wie er nach dem Tod Lokis gedankenverloren auf das Wasser schaut, ist man überzeugt, man habe Helmut Schmidt am Brahmsee vor sich.“

Sie kennen sich gut

Nicht zuletzt Szenen wie diese sollen den Politiker auch als Menschen zeigen. Schmidt, sagt Schlesinger, „ist einer der ganz großen noch lebenden Titanen der deutschen Politik.“ Aber seine persönliche Seite hat der Altkanzler stets hinter hanseatischer Kühle zu verbergen gewusst. Erst in den letzten Jahren hat er sich bei Interviews mit Sandra Maischberger immer wieder mal von einer anderen Seite gezeigt. Für das Doku-Drama hat allerdings „Zeit“-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo zweimal ausführlich mit Schmidt gesprochen. Die beiden kennen sich gut, und das nicht nur, weil Schmidt nach wie vor Herausgeber der Wochenzeitung ist: Di Lorenzo hat bereits zwei Interviewbücher mit Schmidt herausgegeben. Die ARD zeigt den Film am 23. Dezember; an diesem Tag wird der Kanzler a.D. 95 Jahre alt.