Herbert Feuerstein war Chefredakteur, Reisereporter, Comedy-Autor, Schauspieler und Musiker. Aber in Erinnerung ist er vor allem als Prügelknabe von Harald Schmidt. Der wiederum glaubt: „Er hat es genossen.“

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Stuttgart/München - Herbert Feuerstein gibt keine Interviews zu seinem 80. Geburtstag am Donnerstag (15. Juni). Er habe sich weitgehend ins Privatleben zurückgezogen, teilt seine Sprecherin mit. Dafür will aber sein langjähriger Sketch-Partner Harald Schmidt etwas sagen. Was fällt ihm als erstes ein, wenn er an Herbert Feuerstein denkt? „Frauen.“ Immerhin ist der Mann in dritter Ehe verheiratet, und seine derzeitige Frau ist 35 Jahre jünger als er.

 

„Schmidteinander“

Die Gegensätzlichkeit des „Schmidteinander“-Duos war wohl das wesentliche Erfolgsrezept der Sendung. Schmidt ist 29 Zentimeter größer als Feuerstein. Und auch von der Persönlichkeit her könnten sie kaum unterschiedlicher sein: Hier der für seine Schlagfertigkeit und Bosheit gleichermaßen bekannte Zyniker Schmidt, dort der verschmitzte Feuerstein, der sich stets in Bescheidenheit übt und versichert, er sei selbst kein Fan von sich selbst: „Ich kann mich nicht sonderlich leiden.“

„Ich glaube, er hat es überwiegend genossen“

Dementsprechend war es auch eher Schmidt, der in der anarchischen WDR-Serie von 1990 bis 1994 die Pointen bekam und die Lacher einsammelte. Feuerstein kassierte die Schläge. Hat er mit dieser Aufteilung wirklich nie Probleme gehabt? „Ich glaube, er hat es überwiegend genossen“, meint Schmidt.

Das könnte sogar stimmen, denn das Fanpost-Aufkommen bewies, dass sich die Zuschauer mit dem Underdog Feuerstein identifizierten. Außerdem, so berichtete er selbst einmal in einem dpa-Interview, profitierte er von Schmidts Trägheit: „Schmidt wurde relativ schnell faul und ließ mich alles schreiben, dadurch konnte ich die Inhalte an mich ziehen.“

„Ich möchte meine Ruhe haben“

„Ich möchte meine Ruhe haben“, sagte Feuerstein gerade der „Süddeutschen Zeitung“ zu seinen nicht mehr vorhandenen Zukunftsplänen. Versuchungen gebe es immer wieder, „aber ich lehne fast alle neuen Sachen ab“. Auch wenn er heute vor allem noch auf „Schmidteinander“ angesprochen wird, Feuerstein hat noch vieles andere gemacht.

Der Liebe wegen verschlug es den Österreicher mit abgebrochenem Musikstudium einst nach New York, wo er als Korrespondent arbeitete. Zurück in der Alten Welt, wurde er 1973 Chefredakteur der deutschen Ausgabe der Satire-Zeitschrift „MAD“ und steigerte die Auflage von 10 000 auf 400 000. Er gilt als Erfinder wegweisender Comic-Vokabeln wie „Hechel“, „Ächz“ und „Würg“. So wirkte Feuerstein lange still im Verborgenen.

„Hemmungsloser Mut zum Chaos“

Nebenbei begann er fürs Fernsehen zu schreiben und bekam 1986 seine erste WDR-Show „Wild am Sonntag“, die allerdings noch kein Erfolg war. Danach saß er im Rateteam der von Harald Schmidt moderierten Spielshow „Pssst . . .“, und dann kam der große Durchbruch mit „Schmidteinander“. 1994 erhielt Feuerstein einen Bambi für seine „anarchistische Originalität“ und den „hemmungslosen Mut zum Chaos“. Kurz danach wurde die Sendung eingestellt - Schmidt hatte laut Feuerstein die Lust daran verloren. Zudem konnte er dem Lockruf des Sat.1-Geldes nicht länger widerstehen.

Dem nunmehr prominenten Feuerstein boten sich viele Möglichkeiten zum Weitermachen, und er nutzte sie weidlich. Er trat in Operetten und Theaterstücken auf, wurde Ratefuchs in der Wiederauflage von „Was bin ich?“ und Reporter für die ARD-Reihe „Feuersteins Reisen“. Außerdem schrieb er Bücher.

Herbert Feuerstein und Alfred E. Neumann

„Strafe muss sein“

Was wünscht ihm Harald Schmidt zum 80. Geburtstag? „Ewiges Leben“, lautet die Antwort des praktizierenden Katholiken, wohl wissend, dass Feuerstein überzeugter Atheist ist. Schmidts Begründung: „Strafe muss sein.“ Feuerstein selbst hat übrigens schon bestimmt, was dereinst auf seinem Grabstein stehen soll: „Er konnte ständige Nähe nicht ertragen.“

Vor drei Jahren veröffentlichte der am 15. Juni 1937 im Bahnhofsgebäude im österreichischen Zell am See geborene Feuerstein noch seine Autobiografie. „Die neun Leben des Herrn F.“ heißt das Werk, in dem der Hundebesitzer mit den angeblichen neun Leben einer Katze humorvoll kokettiert – etwa mit seiner Körpergröße. „In Salzburg versucht Herbert Feuerstein aufzuwachsen, wird aber nur 1,65“, heißt das erste Kapitel.

Feuerstein und Alfred E. Neumann

Das klingt humorvoller, als seine Kindheit tatsächlich war. Den eigenen Vater beschreibt Feuerstein als Nazi, die Mutter als abweisend. Die familiäre Kälte behinderte seinen Tatendrang jedoch nicht. Schnell stellte sich heraus, dass der Junge musisch begabt ist. Nach dem Abitur begann er ein Musikstudium am Wiener Mozarteum. Doch Feuerstein flog 1959 wegen Beleidigung des Hochschulpräsidenten von der Schule.

In den 60er Jahren wanderte er als Journalist in die USA aus. Dort entstand auch der Kontakt zu dem in den USA erfolgreichen „Mad“-Magazin (Untertitel: „Das vernünftigste Magazin der Welt“), das er dann bald in Deutschland führte.

„Mad“ sei Dank

„Mad“ mit seiner zentralen Figur Alfred E. Neumann bekam von Feuerstein einen eigenen deutschen Anstrich verpasst und avancierte zu einem Bestseller.

Bis zu seinem Ausstieg 1992 wurden fünf Millionen Bücher und 50 Millionen Hefte verkauft. Und Feuerstein wurde mit diesem trashigen Humor ein reicher Mann, weil er sich eine Umsatzbeteiligung ausgehandelt hatte.

Stöhn – Ächz – Hechel – Lechz: Diese Lautmalereien hielten nur dank Feuerstein Einzug in die Jugendsprache. Als sein Lebenswerk bezeichnet Feuerstein die 20 Jahre „Mad“. Auf den Ausstieg bei „Mad“ folgte der Einstieg in Radio und Fernsehen. Vor allem im Fernsehen wuchs seine Popularität rasant.

Herbert Feuerstein und Harald Schmidt

Von Schmidt gequält

Im Rateteam der von Harald Schmidt zunächst im WDR und später in der ARD moderierten Show „Pssst!“ entwickelte sich ab 1990 die Symbiose Schmidt-Feuerstein, die später in der zum Kult gewordenen Sendung „Schmidteinander“ perfektioniert wurde: Schmidt bestimmte, Feuerstein wurde gequält – alles zur Unterhaltung des Publikums.

Freunde wurden Feuerstein und Schmidt trotz des gemeinsamen Erfolgs allerdings nie. „Auf persönlicher Ebene hatten wir uns in der Tat nie viel zu sagen“, sagte Feuerstein einmal. Die Bekanntheit durch „Schmidteinander“ nutzte Feuerstein, um seine eigene Vielseitigkeit zu zeigen.

Ein vielseitiger Künstler

Der in dritter Ehe verheiratete Journalist ging auf „Feuersteins Reisen“, produzierte Fernsehfilme, wurde Kino- und Theaterschauspieler und widmete sich gerade in seinem Spätwerk wieder der Musik.

Dass er 50 Jahre nach seinem Rauswurf aus der Musikakademie zur Klassik zurückkehrte, begründete er zur Jahrhundertwende so: „Weil ich neugierig bin und alle zehn Jahre mein Leben komplett umkremple.“ Das Umkrempeln, das er nun zum 80. Geburtstag vollzieht, ist allerdings dem Publikum abgewandt.