Wenn weitere Ergebnisse vorliegen, zieht der Nabu seine Klage gegen die Bahn zurück, sagt der Landesvorsitzende Enssle.

Stuttgart - Seit November 2016 ist Johannes Enssle der baden-württembergische Nabu-Landesvorsitzende. Die Klage gegen die Hesse-Bahn war da schon eingereicht, dennoch hat der studierte Förster damals den Konfrontationskurs gegen die Hesse-Bahn unterstützt. Mittlerweile läuft die Zusammenarbeit mit Calw aber gut, sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung.

 
Wie finden Sie den Vorschlag mit den Fledermauskammern?
Das können wir jetzt noch nicht sagen. Aber wir wünschen uns natürlich sehr, dass diese Lösung funktioniert. Auch unsere Fledermaus-Experten hier beim Nabu sagen, dass der Artenschutz in solchen abgetrennten Tunnelbereichen klappen könnte – und das stimmt uns hoffnungsvoll.
Johannes Enssle leitet den Nabu mit 90 000 Mitgliedern. Foto: dpa
Der Nabu kooperiert mit dem Landkreis Calw in einer Arbeitsgruppe. Wie klappt dort die Zusammenarbeit?
Die Zusammenarbeit ist dort sehr konstruktiv und sachlich. Wir hatten ja bis vor wenigen Wochen das Moderationsverfahren bei Minister Winfried Hermann, seit der Moderation ist es ein Miteinander und auf Augenhöhe. Davor hat sich der Landkreis Calw die Probleme zwar angehört, aber auf die Kosten verwiesen und auf andere Lösungen gehofft. Erst durch unsere Klage hat man verstanden, dass man doch auch Varianten prüfen muss, die etwas mehr kosten.
Das ist die Kammerlösung, die jetzt begutachtet wird. Befürchten Sie kein Gefälligkeitsgutachten?
Nein. Da sind ja nicht nur die Gutachter des Landkreises dabei, sondern wir machen die Untersuchungen gemeinsam, auch die Experten der Arbeitsgemeinschaft Fledermaus- Schutz arbeiten da ehrenamtlich mit. Insofern gilt da nicht nur das Vier-, sondern sogar das Sechs-Augenprinzip.
Ihre Klage ziehen Sie aber nicht zurück?
Das hat sich zwar der Calwer Landrat gewünscht, aber wir haben ihm klar gesagt: Solange nicht klar ist, dass die Lösung funktioniert, lassen wir die Klage beim Verwaltungsgerichtshof Mannheim ruhen, ziehen sie aber nicht zurück. Ob und wann wir sie zurückziehen, können wir noch nicht sagen, das hängt von den weiteren Erfolgen der Gutachten ab. Möglicherweise kann das noch ein paar Jahre dauern, vielleicht sind wir in drei Monaten so weit.
Viele verstehen nicht, dass gerade ein Naturschutzbund den Zugverkehr blockiert.
Wir kämpfen nicht gegen den Zugverkehr, wir kämpfen für die Fledermäuse – und freuen uns, wenn der Nahverkehr, den wir sehr unterstützen, und der Artenschutz zusammengehen.
Fledermäuse gibt es doch in vielen Tunneln.
Der Hirsauer Tunnel gehört zu den vier bedeutendsten Winter- und Schwärmquartieren in ganz Baden-Württemberg. Das ist schon etwas Besonderes, dass hier Winter- und Schwärmquartiere zusammentreffen – oft sind die Tunnel nur Winterquartiere. Und hier sprechen wir von vielen tausend Fledermäusen, die zum Schwärmen oder für den Winterschlaf zum Hirsauer Tunnelportal kommen. Zudem kommen im Hirsauer Tunnel einzelne Arten vor, die extrem selten und vom Aussterben bedroht sind.
Wie groß ist der Konflikt von Bahnverkehr und Fledermäusen an anderen Orten?
Man hat das Problem in älteren Tunneln vor allem dann, wenn sie wenig oder gar nicht benutzt werden – zum Beispiel bei der Sauschwänzlebahn. Aber nicht nur in Deutschland, sondern überall auf der Welt. Aber wenigstens in Europa ist der Artenschutz so weit, dass die Fledermäuse Schutz genießen. Wenn die Kammern eine tragfähige Lösung hierfür darstellen, könnte das durchaus ein Exportschlager sein. Wobei jeder Einzelfall anders ist – nicht jeder Tunnel ist so groß, dass man eine separate Röhre reinbauen kann.