Die BAUS bemängelt schon lange den Einsatz der künftigen Sprinter-S-Bahn. Mittlerweile häufen sich die Vorwürfe, auch der Verkehrsclub Deutschland äußert sich.

Renningen - Die neue S 62 wird von September 2022 an die Takte zwischen Weil der Stadt und Zuffenhausen verstärken. Der VVS hat die neue S-Bahn-Linie vollmundig als Express- und Sprinter-S-Bahn angekündigt. Sie hält nur an den Bahnhöfen Leonberg, Ditzingen, Weilimdorf und Korntal, um diese Knotenpunkte zu entlasten. Inzwischen werden aber, unabhängig voneinander, immer mehr kritische Stimmen an der Verbindung laut.

 

Die S 62 lässt mit Renningen einen wichtigen Knotenpunkt aus und bringt trotzdem kaum oder gar keine Zeitersparnis ein, bemängelt nicht nur der Stuttgarter Bahnexperte Klaus Wößner, einer der Akteure hinter der Internetseite s-bahn-chaos.de, einem Informationsportal rund um die S-Bahn Stuttgart. Auch die Bürgeraktion Unsere Schwarzwaldbahn (BAUS), die sich aktiv für die Hermann-Hesse-Bahn einsetzt, und sogar der Landesverband Baden-Württemberg des ökologischen Verkehrsclubs Deutschland (VCD) üben deutliche Kritik.

Die Fahrtzeiten sind fast identisch

„Wenn man sich den vorgesehenen Fahrplan etwas genauer ansieht, stellt sich im Kontext ,Sprinter‘ und im Vergleich zur S 6 einiges darin doch recht eigenartig dar“, schreibt Klaus Wößner, der früher schon als Gutachter für die Gegner einer Hesse-Bahn bis Renningen herangezogen wurde, in einem Beitrag. Denn obwohl die S 62 mehrere Bahnhöfe auslässt, sind die angegebenen Fahrtzeiten zwischen den Stationen quasi identisch zur S 6: mit sieben Minuten zwischen Leonberg und Ditzingen, von Ditzingen nach Weilimdorf braucht man sogar zwei Minuten länger. Eine echte Zeitersparnis von mehreren Minuten gibt es nur zwischen Weil der Stadt und Leonberg, wegen des fehlenden Aufenthalts in Renningen.

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Die Begründung liegt offenbar darin, dass die neue Linie wegen der engen Taktung auf der Strecke und auch wegen des eingleisigen Abschnitts zwischen Weil der Stadt und Renningen nur ein sehr enges Zeitfenster auf den Gleisen hat, um nicht mit anderen Zügen in Konflikt zu geraten. Zum Teil entstehen so überflüssige Standzeiten, so Wößner.

„Dann bleibt aber kaum verständlich, warum die S 62 an fünf Zwischenstationen einschließlich dem Knoten Renningen nicht hält und die durch entfallene Halte eingesparte Fahrtzeit unterwegs vertrödeln muss.“ Es werde vielen Berufstätigen, die aus Malmsheim, Renningen, Rutesheim und Höfingen in Richtung Zuffenhausen fahren müssen, kaum einleuchten, „dass die S 62 nun gerade sie auf dem Weg zur Arbeit nicht mitnehmen will, obwohl sie könnte“.

„Mir der Hesse-Bahn entsteht ein attraktives Zugangebot“

Vor allem in Bezug auf die Hermann-Hesse-Bahn können der VCD und die BAUS die Entscheidungen hinter der neuen S 62 nicht verstehen. Mit der Hesse-Bahn entstehe für die vielen Pendler aus dem Raum Calw in Richtung Stuttgart und in Richtung Böblingen/Sindelfingen ein attraktives Zugangebot, sagt Matthias Lieb, der Landesvorsitzende des Verkehrsclubs VCD. „Dazu gehört auch, dass die Hermann-Hesse-Bahn von Calw bis Renningen fahren soll, damit die Fahrgäste dort direkt in die S 60 nach Sindelfingen und Böblingen umsteigen können.“

Diese Verbindung sei entscheidend für den Erfolg der Hesse-Bahn, nur unter dieser Voraussetzung wurde ihr Wirtschaftlichkeit prognostiziert. Jedoch ist vorgesehen, dass die Bahn in der Hauptverkehrszeit, während die S 62 fährt, bereits in Weil der Stadt endet. „Also gerade dann, wenn die Fahrgäste von Calw nach Sindelfingen und Böblingen wollen.“ Nur können diese die S 62 nicht nutzen, da sie nicht in Renningen hält. „Der Verband Region Stuttgart bremst damit die Hermann-Hesse-Bahn aus und verhindert den Erfolg der Reaktivierung“, beklagt Lieb.

Nicht die Lösung, sondern das Problem

Die Express-S-Bahn sei nicht die Lösung, sondern gerade das Problem. „Aus VCD-Sicht ist ein Metropolexpress von Calw nach Stuttgart Hauptbahnhof die bessere Lösung.“ Ein Metropolexpress hält außerhalb des S-Bahn-Netzes an allen Stationen und innerhalb des S-Bahn-Netzes nur an wichtigen Bahnhöfen. „Auf allen anderen S-Bahn-Strecken nach Stuttgart gibt es einen solchen schnellen Metropolexpress, das sollte auch hier das Ziel sein“, sagt Matthias Lieb.

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Damit spricht der VCD der Bürgeraktion Unsere Schwarzwaldbahn aus der Seele. Deren Mitglieder machen sich seit Jahr und Tag für einen Metropolexpress stark und bemängeln die S 62 von Anfang an. „Wenn das Hauptziel die Entlastung der Strecke bei Korntal sein soll, warum muss die S 62 dann in Weil der Stadt anfangen, wo sie denen, die dort auf dem Gleis warten, gar keinen Vorteil bringt?“, wirft Hans-Joachim Knupfer, der Sprecher der BAUS, die Frage auf. „Den Einwohnern im Kreis Böblingen bringt diese S-Bahn wenig bis gar nichts.“ Nicht mal als Schnellverbindung nach Stuttgart, da man in Zuffenhausen wieder umsteigen müsse.

Für Reisende aus dem und in den Kreis Calw entstehen nur Nachteile, bemängelt er. „Klar ist: Wenn ich Leute auf so langen Strecken auf die Schiene bekommen will, muss ich entsprechende Angebote schaffen“, sagt Knupfer. Eine S-Bahn, ohne Toiletten und jeden Komfort, könne dafür nicht die Lösung sein. „Wir freuen uns daher sehr, dass uns der VCD hier in ganzer Linie bestätigt.“