In Herrenberg sollen Bürger bald die meisten Leistungen der Stadt vom heimischen Computer aus erledigen können. Caroline Küpfer ist die Frau, die dazu jeden Handgriff digitalisiert. So bleibt mehr Zeit für die wichtigen Dinge, glaubt sie.

Herrenberg - Als Caroline Küpfer ihre Kinder in der Kindertagesstätte anmeldet, bekommt sie von der Stadt Herrenberg erst mal einen Stapel Papier, fast so dick wie eine Bibel. Vorerkrankungen, Bilderrechte, vielfache Unterschriften von Vater und Mutter sollen da eingetragen werden. Geht das auch nicht einfacher, etwa am Computer? Als Digitalexpertin der Stadt Herrenberg ist diese Frage für die 36-jährige Caroline Küpfer zu einem Leitspruch geworden. „Am Ende“, sagt sie, „wollen wir eine Stadt, die uns mehr Zeit für die wichtigen Dinge im Leben ermöglicht.“

 

Bis zum Jahr 2022 sollen alle Dienstleistungen der Verwaltung in Deutschland online zugänglich sein, so will es der Bund. Dann sollen Bürger ihren Hund einfach im Netz anmelden, eine Halle online reservieren können. Doch schaut man auf die Realität, scheinen die Kommunen, aber auch viele Unternehmen, seit Jahren in der Analogwelt festzustecken.

Von einem Interview in ihrem Büro rät Caroline Küpfer ab. Dort sehe es gerade aus wie in einem Lager, vollgestellt mit Bildschirmen und Computern. Sie arbeite sowieso meistens von unterwegs, sagt sie. Als Leiterin der Abteilung für Organisation und Digitales der Stadt tingelt sie seit knapp einem Jahr von einem Amt zum anderen. Auch die Kollegen kennen mittlerweile ihren Laptop mit bunten Aufklebern von Comicfiguren auf der Außenseite. Was es heißt, eine Amtsstube zu Smart City zu machen, weiß Caroline Küpfer mittlerweile gut. „Es geht um den Einsatz der Technik als Hilfsmittel, klar. Aber auch um einen Kulturwandel“, sagt sie. Und der brauche Zuspruch und Zeit.

Im Kinderzimmer ruft ein Lautsprecher zum Essen

Ein typischer Computernerd ist Küpfer ganz und gar nicht. Eher eine Pragmatikerin, die sich unterschiedlicher Mittel bedient, um Ziele zu erreichen. Eine gewisse Technikbegeisterung ist ihr dennoch nicht abzusprechen. Zu Hause probiert sie früh die neusten Gadgets aus, wie sie sagt, und testet, wie sie die kleinen technischen Geräte in ihren Alltag einbauen kann. In ihrem Wohnzimmer lässt sie das Licht intelligent steuern. Im Kinderzimmer hat sie einen Lautsprecher so programmiert, dass sie nur eine Taste auf ihrem Handy drücken muss, damit eine Stimme ihre Kinder zum Essen ruft. „Ich bin davon überzeugt, dass Technik unser Leben vereinfacht“, sagt Küpfer.

Auch beruflich macht sich das deutlich. Vor ihrer Stelle in der Verwaltung, optimierte sie Internetseiten großer Verlage und Medienhäuser, damit Suchmaschinen wie Google sie einfacher finden. Eine Aufgabe, die viele Firmen in der Vergangenheit auf die leichte Schulter nahmen. Als Schnittstelle zwischen Betrieb und Nutzer steht sie aber im Zentrum der Digitalisierung. „Was bringen Leistungen, wenn sie niemand nutzen kann, weil sie niemand findet?“, fragt sie. Genauso könnte man das auf die Verwaltungen münzen.

Nicht umsonst halten sich manche Klischees über Verwaltungen so hartnäckig wie ihre Sprüche. „Das haben wir schon immer so gemacht“, kennt wohl jeder. Zu langsam, zu bürokratisch, zu selten offen, lauten immer noch die Urteile vieler. Dass Bürger heute anders ticken, Leistungen auch vom Sofa am Abend erledigen wollen, wird da zum Problem. „Viele wollen schnelle, einfache Lösungen“, sagt Küpfer. Um das zu erreichen, versucht sie Prozesse in einzelnen Abteilungen zu verändern. Dazu gehören flexiblere Arbeitszeiten, aber auch neue Aufgaben für Mitarbeiter. Im Bauhof des Amtes für Technik beraten Kollegen nun auf niedrigeren Verwaltungsstufen Bürger bei einfachen Fragen und entlasten so die Bauexperten.

Signal an Frauen

Digitalisierung kommt erst später zum Einsatz. Dann, wenn Tätigkeiten sich doppeln oder von Computern schneller erledigen lassen. „Oft reicht es, den Mitarbeitern die richtigen Fragen zu stellen und gut zuzuhören“, findet Küpfer. Daraus ergeben sich weitere Handlungen: Muss die Stadt eine Software extern einkaufen? Bedarf es einer Verbindung zu anderen Kommunen? Viele der Leistungen müssen Städte mit Plattformen des Bundes und anderer Städte abstimmen und verknüpfen. Das lässt die Digitalisierung so langsam erscheinen. Auf der anderen Seite reiche es aber auch nicht, digitale Hilfsmittel einfach zur Verfügung zu stellen. Wichtig sei, die Mitarbeiter vom Nutzen zu überzeugen, sagt Küpfer. Sonst entstehe nur Frust. Das gehe bei Jüngeren natürlich einfacher als bei Älteren. Auch deshalb glaubt sie, dass Veränderungen nicht nur technische, sondern auch kommunikative Fähigkeiten brauchen, dazu unterschiedliche Menschen.

Ihre Führungsrolle sieht sie daher auch als ein Signal an Frauen, dass eine Karriere in einem technischen Beruf möglich ist. In Herrenberg bekomme sie da viel Zuspruch. Manche Nachbarn aber fragten trotzdem, ob ihre Kinder nicht die Mama vermissten. „Klar“, sagt sie dann. „Aber den Papa würden sie auch vermissen.“ Der arbeitet in Teilzeit. Schließlich muss seine Frau eine Stadt digitalisieren. Demnächst vielleicht auch die Kita.