Eine Herrenberger Ärztin hat im Auftrag der Organisation Lands Aid ein Flüchtlingscamp in Thessaloniki besucht. Das Ziel ist es, die Bewohner medizinisch besser zu versorgen.

Böblingen : Ulrich Stolte (uls)

Herrenberg/Thessaloniki - Gunver Werringloer hat schon viel Elend in Flüchtlingslagern gesehen, aber nie geglaubt, dass sie dieses Elend auch in Europa zu Gesicht bekommen würde. Die Ärztin ist für die kleine Hilfsorganisation Lands Aid mit Sitz im bayerischen Kaufering unterwegs und hat zwei Flüchtlingslager in Thessaloniki besucht, um auszuloten, welche medizinischen Bedürfnisse die Menschen dort haben. Am Telefon beschreibt sie vor Ort in Thessaloniki ihre Erfahrungen so:

 

Bericht Gunver Werringloer:

„Ich habe zwei Lager besucht, in denen 750 und 1500 Menschen leben. Wenn die Flüchtlinge ins Lager kommen, werden ihnen Wohncontainer zugewiesen, in denen sie zu acht leben, pro Bewohner sind das zwei Quadratmeter. Sobald ihr Asylantrag angenommen ist, müssen sie die Container verlassen und sind angehalten, sich eine Wohnung und einen Job zu suchen. Doch Wohnungen und Arbeitsplätze gibt es nicht. Also bleiben sie im Lager und bauen sich Zelte aus allem, was sie finden können: Plastikfolien, Kartons, Planen. Das Lager ist in einer ehemaligen Kaserne aus den Siebzigerjahren eingerichtet, die ziemlich heruntergekommen ist. Das Gelände ist umzäunt, es gibt eine Eingangspforte, die von der Polizei kontrolliert wird, allerdings können die Flüchtlinge frei ein- und ausgehen. Nachts wird es kühl, unter 10 Grad, tagsüber hat es um die 20 Grad.

Die Flüchtlinge sind auf dem Gelände nur geduldet. Sie sind von der Gnade anderer Menschen abhängig und von dem Einsatz von Hilfsorganisationen. Waschen und Reinigen der Kleidung ist fast unmöglich. Die häufigsten Erkrankungen sind Hautkrankheiten. Milben oder Krätze wird man nicht los, die Flüchtlinge leiden an entzündeten Insektenstichen, Hundebissen und an den Folgen von Mangelernährung. Es müssen gynäkologische Erkrankungen behandelt werden, es gibt keine Medikamente für Patienten mit Bluthochdruck und Diabetiker. Es gibt zwar einen Lagerarzt, doch fehlen medizinisches Personal und Hebammen. Es gibt auch einheimische griechische Helfer und andere Organisationen, aber die Lage ist unübersichtlich.“

Nachdem sich Gunver Werringloer ein Bild gemacht hat, kann Lands Aid den Hilfseinsatz planen. Die Organisation wurde 2006 von sieben engagierten Menschen gegründet. Sie wollte bewusst klein bleiben, um schnell und flexibel rund um den Globus helfen zu können. Die Organisation finanziere sich durch Spenden und auch mit Geldern, die sie vom Paritätischen Wohlfahrtsverband bekomme, wie die Pressesprecherin Andrea Schmelzle mitteilt. Es gibt nach Auskunft der Pressesprecherin 30 Ehrenamtliche. In der Datenbank sind 250 Mitarbeiter, die in den Einsatz geschickt werden können, nachdem sie vor allem psychisch auf den Einsatz im Katastrophengebiet vorbereitet wurden: Menschen wie Gunver Werringloer. Die Frau mit dem skandinavischen Vornamen ist in den USA aufgewachsen und praktiziert seit 1999 in Herrenberg als Allgemeinmedizinerin. Sie sagt:

Bericht Gunver Werringloer:

„Als Ärztin empfinde ich es als meine Pflicht zu helfen. Mein Motto ist ein Satz von Albert Schweitzer: „Das Wenige, das du tun kannst, ist viel – wenn du nur irgendwo Schmerz und Weh und Angst von einem Wesen nimmst, sei es Mensch, sei es irgendeine Kreatur.“ Als ich die Entscheidung getroffen habe, mich zu engagieren, fand ich, dass Lands Aid am besten zu mir passt. Für die Einsätze opfere ich meine Freizeit, und das mache ich gerne, weil ich helfen kann.“

Nachdem nun klar ist, welche Art von medizinischer Hilfe die Flüchtlinge brauchen, soll Anfang Dezember das erste medizinische Team nach Thessaloniki fliegen. Dieser Einsatz ist auch schon finanziert, ob es es ein längerfristiger Einsatz werden wird, hängt davon ab, ob Lands Aid genug Spendengeld erwirtschaften kann.