Frauen halten als Einzelhändlerinnen die Altstadt in Herrenberg am Leben. Sie setzen auf originelle Produkte und persönlichen Kundenservice und ziehen auf diese Weise Käufer aus der gesamten Region an.

Herrenberg - Wer erstmals das Pigmento in der Herrenberger Altstadt betritt, glaubt seinen Augen nicht zu trauen: ein kleines Paradies verbirgt sich in dem Laden des eher biederen Einkaufszentrums am Bronntor. Außergewöhnliches und Witziges, aber durchaus Nützliches gibt es hier: von Gewürzen des Sternekochs Alfons Schuhbeck über Kleidung des Stuttgarter Labels Blutsgeschwister bis hin zu originellen Möbeln – wie beispielsweise ein Nostalgie-Kühlschrank, der geradewegs aus einem alten Hollywoodfilm zu stammen scheint.

 

Paradiesisch ist auch der Service der drei Frauen, die den Laden betreiben: Schon nach wenigen Minuten hat man als Kunde das Gefühl, bei Freunden zu sein. Auf Wunsch serviert die Inhaberin Tanja Erbele-Wiest ihren Kundinnen und Kunden einen Cappuccino oder Tee und selbstgemachte Kekse. Niederlassen können sich die Gäste in der Möbelausstellung, die wie ein gemütliches Café eingerichtet ist – und im Sommer sogar auf der abgeschiedenen Terrasse hoch über den Dächern der Altstadt. Sessel und Tassen können die Gäste bei Gefallen kaufen. Läden wie diese hat der Herrenberger Wirtschaftsförderungschef Ralf Heinzelmann vor Augen, wenn er die „starken Frauen des Herrenberger Einzelhandels“ lobt, die „sehr kundenorientiert sind, eine Wohlfühlatmosphäre schaffen.“ Diese Einzelhändlerinnen seien es, die die „Herrenberger Altstadt am Laufen halten.“

Laden expandiert

Von den etwa 100 Läden in der Stadt seien 42 Prozent in weiblicher Hand. „Die Frauen haben sich zumeist spezialisiert auf besondere Produkte“, sagt Heinzelmann. Birgit Böhme und Martina Holzapfel etwa führen einen Laden für Feinschmecker. In ihrer Fromagerie in der Schulstraße gibt es Käse aus Frankreich, Spanien, der Schweiz und Italien, dazu Bioweine aus verschiedenen Regionen, einige Antipasti und seit kurzem sogar Tee. Mehr als 15 Mitarbeiter hat das Unternehmen, das seit fast 30 Jahren im Geschäft und auch auf Wochenmärkten unterwegs ist. Früher war noch Böhmes Ehemann dabei. Seit seinem Tod vor fünf Jahren leiten sie und ihre Schwägerin die Firma allein – äußerst erfolgreich.

Erfolg hat auch Tanja Erbele-Wiest, die vor elf Jahren mit dem Pigmento startete. Zunächst mit einem Online-Handel, den es noch immer gibt. Kurz darauf kam ein Laden dazu, in dem sie die außergewöhnlichen Produkte ausstellen konnte. Schon bald war der Laden in der Altstadt mit 80 Quadratmetern zu klein. „Wir haben zwei Jahre lang gesucht, bis wir diese Fläche gefunden haben“, sagt die Inhaberin, die nun mehr als doppelt soviel Verkaufsfläche hat.

Das Kreative ist es, das die Betriebswirtin reizt. Ihr Laden ist jedoch weit mehr als eine Liebhaberei. „Wenn es sich nicht lohnen würde, würd ich es nicht machen“, stellt sie klar. Zwei Angestellte muss sie bezahlen. Neben ihrem Laden managt die 43-Jährige auch noch ihren Haushalt mit drei halbwüchsigen Kindern.

Zahl von Existenzgründungen im Einzelhandel geht zurück

Zahlen, wie viele Einzelhandelsgeschäfte in der Region in weiblicher Hand sind gibt es nicht. Weder die IHK noch die Handelsvereine oder das Wirtschaftsministerium führen eine solche Statistik. Insgesamt jedoch gehe die Zahl von Existenzgründungen im Einzelhandel zurück, sagt eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums in Stuttgart. Existenzgründer in diesem Bereich seien überwiegend männlich, während Frauen bevorzugt als Angestellte dort arbeiteten. Dominieren würden Frauen in den Branchen Mode, Deko-Artikel und Strickwaren.

In Großstädten dominieren die Filialisten

Dies bestätigt auch Sabine Hagemann, die Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbands Baden-Württemberg. „Mode ist das Hauptthema bei frauengeführten Läden. Vor allem in kleinen und mittleren Städten gibt solche Boutiquen.“ In Großstädten wie Stuttgart hingegen dominierten die Filialisten. Die Pachtpreise seien für Einzelhändler oft viel zu teuer. „In Kleinstädten funktioniert das besser“, hat Hagemann beobachtet. So auch in ihrer Heimatstadt Tübingen. „Hier gibt es eine Reihe von Frauen geführten Läden. Diese haben zumeist eine besondere Atmosphäre – Kunden werden dort schnell zu Freunden.“

So wie bei Tanja Erbele-Wiest. Deren Stammkunden reisen sogar aus Tübingen, Stuttgart und dem Schwarzwald an. „Ich verkaufe nur das, was mir selbst gefällt“, ist ihr Rezept. Und damit trifft sie ganz offensichtlich den Geschmack ihrer Kunden.